Umgang mit menschenfeindlichen Aüßerungen

Robert Roedern, Schulpsychologe, Grundschullehrer und Regionalbeauftragter für Demokratie und Toleranz, im Gespräch mit dem Arbeitskreis Demokratie

Demokratie- und menschenfeindliche Haltungen sind nicht nur ein Problem der Ränder, sondern finden sich auch in der Mitte der Gesellschaft. Wie können Lehrkräfte gestärkt werden, um diesen Haltungen professionell vorbeugen und begegnen zu können?

Was mache ich, wenn ich in der Schule extremistische Verhaltensweisen bemerke (z. B. nationalistische Äußerungen, Hakenkreuzschmierereien, menschenverachtende Bilder in Chatgruppen)? Wie gehe ich mit antisemitischen Äußerungen um? Wie reagiere ich, wenn ein Schüler mit salafistischen Aussagen provoziert?

Konstruierte Fälle? Durchaus nicht, sagt Robert Roedern im Gespräch mit dem Arbeitskreis Demokratie. Demokratie- und menschenfeindliche Äußerungen, besonders aus dem rechtsextremen Spektrum, lassen sich auch an Schulen beobachten. Die Verunsicherung durch die Corona-Krise verstärkt bei manchen noch zusätzlich diese Suche nach einfachen Antworten in extremistischen Ideologien oder Verschwörungsmythen. Doch ist das kein Grund zu verzweifeln. Inzwischen gibt es viele Institutionen, die sich der Prävention verschrieben haben. Eine davon sind die Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz, denen Roedern angehört. Es sind Beratungslehrkräfte bzw. Schulpsychologinnen und Schulpsychologen, die seit über 10 Jahren zu diesem Thema Unterstützung und Fortbildungen anbieten und sich jeder Frage stellen. Anfragen und Beratungen unterliegen selbstverständlich der Verschwiegenheit. In jedem Regierungsbezirk gibt es zwei davon, zu erreichen über die Staatlichen Schulberatungsstellen. 

Provokationen cool begegnen

Fünf so genannte Knöpfe sind es, die Schüler oder Schülerinnen bei uns drücken können, wenn sie menschenfeindliche Verhaltensweisen an den Tag legen: Angst, Scham, Schuld, Wut oder Ohnmacht. Wie wir Lehrkräfte mit diesen Gefühlen umgehen, ist eine zentrale Frage, um deeskalierend wirken zu können und den möglichen Gründen eines solchen Verhaltens auf die Spur zu kommen. Selbstführung macht einen wesentlichen Teil des professionellen Umgangs mit derartigen demokratiefeindlichen Phänomenen im Schulalltag aus. Hier sollten Präventions-Maßnahmen ansetzen. Ein Projekt-Tag zu Demokratie in einer Klasse ist sicher lobenswert. Wie nachhaltig ist er? Vielmehr geht es darum, Lehrkräfte in ihrem Selbstmanagement zu stärken und ihnen Sicherheit zu geben, damit sie diesem Verhalten beharrlich entgegentreten können.

Inspiriert vom israelischen Psychologen Haim Omer und dessen Konzept der „Neuen Autorität“ empfiehlt deshalb Roedern den Lehrerinnen und Lehrern, bei extremistischen Äußerungen von Schülerseite erstmal Zeit zu gewinnen, um nicht im Moment des Tabubruchs gefangen zu bleiben. Es geht um Präsenz und wachsame Sorge, so dass die Erwachsenen stets die Verantwortung für die Beziehungsqualität tragen und behalten können. 

Dazu ist es wichtig, sowohl die rechtlichen Grundlagen als auch die Symbole und Sprache der extremistischen Szenen zu kennen. Wachsame Sorge für die gesunde Entwicklung der Kinder braucht eine geschulte Wahrnehmung. So kann die pädagogische Verantwortung ihre Kraft entfalten. Dabei darf das Neutralitätsgebot nicht falsch verstanden werden. Vielmehr braucht es die für die Werte der Verfassung eintretende Lehrerpersönlichkeit, die das Heft des Handelns in der Hand behält. 

„Das Eisen schmieden, wenn es kalt ist“, empfiehlt Roedern, gerade um nicht den eigenen Gefühlen zu erliegen. Diese Fähigkeit zur Selbstführung verhindert unnötige Eskalationen und ermöglicht eine pädagogische Haltung, die sich in dem Satz ausdrückt: „Ich gebe dir nicht nach und ich gebe dich nicht auf.“ 
Also nicht besiegen wollen, sondern beharrlich sein! Den pädagogischen Bezug weiter aufrechterhalten, ohne in der Sache nachzugeben.  

Dabei ist es wichtig zu wissen, dass man nicht alleine bleibt. Das bedeutet nach Unterstützung zu suchen, innerhalb der Schule und nach außen durch den Aufbau von Netzwerken. 
Transparenz ist hierbei ein ganz wichtiges Prinzip. Das gesamte Lehrerkollegium sollte informiert sein, die betroffenen Familien werden eingebunden. Roedern verweist auf verschiedene Studien, die zeigen, dass Gewalthandeln umso unwahrscheinlicher wird, je öffentlicher es gemacht wird.

Eines darf dabei nicht aus den Augen verloren werden: Jugendliche handeln aus bestimmten Bedürfnissen heraus, sie haben – aus ihrer Sicht – gute Gründe dafür. Hinter dem Verhalten kann Frustration oder erlebte Demütigung stecken. Deshalb genügt Strafe allein nicht. Es geht genauso um Versöhnung und die Aufrechterhaltung von Beziehungen. Die Täterinnen und Täter sollen ihre Taten wiedergutmachen, so dass sie sich wieder integrieren und weiter als Teil der Gemeinschaft erleben können.

All dies kann man in Fortbildungen von Robert Roedern üben und vertiefen. Es werden dabei konkrete Fälle bearbeitet und durchgespielt. Für jedes Lehrerkollegium eine lohnende Sache.

Demokratie lernen – auch schon in der Grundschule

Der Sinn für Demokratie wächst schon im Grundschulalter, dies zeigte der Gast des Arbeitskreises anhand seines Projektes zur politischen Bildung an einer Grundschule. Wir gründen einen Staat, heißt hier das Projektziel. Da werden Flaggen entworfen, Namen erfunden, Ausweise hergestellt und „ganz nebenbei“ so Wichtiges geklärt wie die Frage, warum es Staaten braucht und wie diese ihre Ordnung in Form von Gesetzen finden. Wer ist stimmberechtigt? Welche Gesetze sind uns besonders wichtig? Und was kann man alles nicht regeln, weil es eine übergeordnete Union aller Klassen gibt? Wöchentlich werden im Klassenrat Anliegen und Themen der Schüler und Schülerinnen verhandelt und gelöst. So sieht politische Bildung handlungsorientiert, kreativ und nachhaltig konzipiert aus.

Robert Roedern zeigte in kurzweiligen zwei Stunden wie Erziehung zur Demokratie in einer modernen Schule aussehen könnte. Seine Anregungen und Tipps lassen sich leicht vertiefen, eine Fortbildung hierzu ist ein erster Schritt in eine demokratiefördernde Schulentwicklung.

Robert Roedern ist erreichbar unter: robert.roedern@sbmuc.de

Ludwig Ziesche, Rektor MS am Inzeller Weg