Ferien streichen ist keine Lösung, sondern ein Teil des Problems!
Natürlich gibt es das Dienstrecht her, Ferien zu streichen. Fakt ist: Wir Lehrkräfte haben wie alle anderen Arbeitnehmer Anspruch auf 30 Tage Erholungsurlaub im Jahr.
Allerdings, Herr Minister: An den übrigen 45 Ferientagen korrigieren wir, bereiten Unterricht vor, erstellen differenzierte Lernmaterialien und drehen Erklärvideos, weil das Nötige fehlt, bilden uns online fort... – und bauen zahllose Überstunden ab, die wir in unserem Alltag zusätzlich zu der für Beamte üblichen 40-Stunden-Woche anhäufen.
Leider ist es wohl für Sie, Herr Minister, genauso wie für Ihre Vorgänger selbstverständlich, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit mit privaten „Endgeräten“ vom Rotstift bis zu Smartphone und Multimedia-PC erledigen müssen.
So etwas ist „im richtigen Leben“ außerhalb der Schule absolut undenkbar!
Ebenso unterliegen Sie wohl wie manch andere Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger dem Irrglauben, dass während der Durchführung von Wechsel- bzw. Distanzunterricht weniger Arbeitsaufwand für die Lehrerinnen und Lehrer anfällt.
Das Gegenteil ist der Fall! Wechsel- und Distanzunterricht sind pädagogisch und didaktisch enorm aufwändig. Dass unsere Kolleginnen und Kollegen ebenso wie die anderen „normalen Eltern“ im Homeoffice auch die eigenen Kinder betreuen und noch Notbetreuung in Präsenz leisten sollen, wird nicht mit einem Wort erwähnt.
Aus diesen Gründen und einigen weiteren Koordinaten unseres Berufsbildes, die unsere vorgesetzten Dienstbehörden zu verantworten haben, hat sich wohl auch niemand von denen, die sich wohlfeil über „die unverschämt vielen Ferientage“ für Lehrkräfte aufregen, dazu entschlossen unseren Beruf zu ergreifen.
Und genau hier liegt auch ein Kern der aktuellen Problematik: Der chronische Lehrermangel insbesondere an Grund- und Mittelschulen schlägt gerade jetzt voll durch, da neben dem „Distanzunterricht“ auch noch in erheblichem Umfang die „Notbetreuung“ gestemmt werden muss.
Wo auch noch die letzten Differenzierungs- und „DeutschPLUS“-Stunden umgewidmet werden müssen, kommen wieder einmal gerade diejenigen Kinder und Jugendlichen unter die Räder, die am dringendsten eine intensive Begleitung und Förderung bräuchten.
Und daran wird auch das Hoffen auf Präsenzunterricht in den Faschingsferien so gut wie nichts ändern.
Wer in dieser Situation jedoch kurzerhand Ferien streicht, ohne für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen, richtet gleich mehrfachen Schaden an: Er ramponiert das öffentliche Ansehen des Berufsstands selbst, stößt die eigenen Leute vor den Kopf, demotiviert sie und erschüttert weiterhin nachhaltig und konsequent das Vertrauen in seine Qualitäten als Arbeitgeber. Wer so agiert, wird auch mit warmen Worten zum Schuljahresende nichts kitten können.
Ganz davon abgesehen: Was ist mit unseren Schülerinnen und Schülern? Sie müssen erleben, vom Minister offenbar als zu vernachlässigende Größe betrachtet zu werden, auch wenn offiziell alles nur zu ihrem eigenen Besten geschieht. Ihr Recht auf Erholung und Freizeit wird mit einem Federstrich beschnitten, ihre Leistungen im „Distanzunterricht“ nicht angemessen gewürdigt. Wie wäre es dann wenigstens mit einem Ausgleich?
Gezieltes, nachhaltiges und durchdachtes Handeln, das bei den wirklich Beteiligten, nämlich Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern und Eltern, ankommt, wäre notwendig - etwa mit einer deutlichen Reduzierung der Lehrplaninhalte, einer Verringerung der Anzahl von Prüfungen oder mit einer Aussetzung des Übertrittsverfahrens?
Martin Schmid, 1. Vorsitzender
Martin Göb-Fuchsberger, Leiter Abteilung Schul- und Bildungspolitik