Augen und Ohren auf zum Schulbeginn!

Was leistet die Schuleingangsuntersuchung, worauf müssen wir achten?

In seltenen Einzelfällen kann es vorkommen, dass Kinder mit Beeinträchtigungen im Sehen oder Hören in die Schule kommen, ohne dass dies bis zu diesem Zeitpunkt auffällig wurde. Natürlich haben diese Kinder im Schulalltag mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Im Einzelfall kann es lange dauern, bis die Ursache festgestellt und Abhilfe geschaffen wird.

Es kann vorkommen, dass Sehbeeinträchtigungen bis zum Vorschulalter unerkannt bleiben. Leider bemerken selbst aufmerksame Eltern nicht immer, dass ihr Kind z. B. stark weitsichtig ist. Seit einigen Jahren ist deshalb die Überprüfung der Sehfähigkeit ein fester Bestandteil der Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U9 in der kinderärztlichen Praxis. Wenn diese nicht wahrgenommen werden oder das Kind auch hier durchrutscht und es nicht aus einem anderen Anlass (z. B. Schielen) einem Augenarzt vorgestellt wird, ahnen die Eltern lange nichts.

Die gesetzlich vorgeschriebene Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung im Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) in München ist ein weiterer wichtiger Baustein in der Überprüfung der Entwicklung und Gesundheit vor Schulbeginn für alle Kinder.

Hierbei wird neben einem umfangreichen Entwicklungsscreening ein standardisiertes Hör- und Sehscreening durchgeführt. Tatsächlich kommt es relativ häufig vor, dass sich Auffälligkeiten zeigen. Die Familien erhalten dann ein Begleitschreiben für Kinder-, Haus- oder Fachärzt*innen für die weitere Abklärung. Viele bis dahin unerkannte Sehbeeinträchtigungen können dadurch erkannt und behandelt werden.

Zu beachten ist, dass es sich bei diesem Sehscreening um eine Suchmethode und nicht um eine diagnostische Untersuchung handelt. Deshalb erfüllt das Sehscreening auch nicht die Qualitätsstandards einer augenärztlichen Untersuchung. Auch gibt es keine Screeningmethode mit einer Sensitivität von 100 %, d. h. es kann auch bei korrekt durchgeführtem und unauffälligem Sehscreening niemals zu 100 % ausgeschlossen werden, dass nicht doch ein behandlungsbedürftiger Befund vorliegt. So kann es in äußerst seltenen Fällen vorkommen, dass Kinder mit erheblicher Sehbeeinträchtigung „ohne Befund“ eingeschult werden, teilt das RGU mit. Ähnlich ist es im Bereich Hören: Auch hier wird ein Screening durchgeführt, das nicht einer fachärztlichen Untersuchung entspricht.

Schon länger wurde erkannt, dass im Bereich der Schuleingangsuntersuchungen bayernweit Handlungsbedarf besteht. Um die Untersuchungen an die aktuellen wissenschaftlichen Standards anzupassen und bestehende Förderbedarfe frühzeitig zu identifizieren, wurde seit 2015 vom Landesamt für Gesundheit- und Lebensmittelsicherheit (LGL) ein Konzept für eine reformierte Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung in Bayern erarbeitet. Im Herbst 2019 wurde dann die „reformierte Gesundheitsuntersuchung zur Einschulung“ (rSEU) eingeführt. Aktuell erfolgt in den Gesundheitsämtern die Umstellung auf die reformierte Gesundheitsuntersuchung. In der Landeshauptstadt München (LHM) geschieht dies aufgrund der hohen Untersuchungszahlen schrittweise, d. h. es werden noch nicht alle Kinder mit der rSEU untersucht.

Die rSEU findet im Gegensatz zur bisherigen Gesundheitsuntersuchung bereits im vorletzten Kindergartenjahr statt. „Diese Vorverlegung ist sinnvoll, da das Erlernen von schulischen Fähigkeiten, wie Lesen, Schreiben und Rechnen auf Entwicklungsprozessen beruht, die weit vor dem Schuleintritt stattfinden. Kinder, die in diesen Bereichen einen Förder- oder Therapiebedarf haben, profitieren sehr davon, wenn noch vor dem Schulbeginn ausreichend Zeit für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen besteht. Zusätzlich besteht nun auch erstmalig die Möglichkeit einer Wiederholungsuntersuchung im Vorschuljahr, wenn im Rahmen der Untersuchung ein entsprechender Bedarf festgestellt wird. Ziel ist es, dass alle Kinder eine möglichst gute Chance für einen erfolgreichen Schulstart haben“, so das RGU.

Die Untersuchungsinhalte wurden dem jüngeren Alter der Kinder angepasst und erweitert und entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen Stand. So wurde z. B. ein standardisiertes Screening für die Rechenvorläuferfähigkeiten zusätzlich eingeführt. Im Bereich Sehen wird bei der rSEU gemäß landesweiter Qualitätsstandards ein neues Screening mit einer höheren Sensitivität durchgeführt.

Nach der Untersuchung erhalten die Eltern neben dem Mitteilungsbogen zur Vorlage bei der Schule, der aus Datenschutzgründen nur generelle Empfehlungen beinhaltet, zusätzlich einen Mitteilungsbogen für die Erziehungsberechtigten, der detaillierte, individuelle Informationen und Empfehlungen enthält.

Es liegt dann in der Verantwortung der Eltern, weitere Schritte zu gehen und Kindergarten oder Kinderarzt zu informieren bzw. den Mitteilungsbogen auf freiwilliger Basis bei der Schuleinschreibung vorzulegen. Kinder, die erst als Vorschulkinder in den Kindergarten kommen oder zuziehen, werden ebenfalls vor Schulbeginn untersucht.

Zusammenfassend gibt das RGU zu bedenken, dass es immer wieder Kinder geben kann, die durch das engmaschige Netz der versorgenden Medizin und des öffentlichen Gesundheitsdienstes gerutscht sind. Daher müssen wir Lehrkräfte, die alle Kinder tagtäglich in den Schulen sehen und beim Lernen begleiten, stets aufmerksam bleiben.

Bei Auffälligkeiten in der Entwicklung sollte also auch nach Schulbeginn zunächst das Gespräch mit den Eltern gesucht werden. Wichtig ist es, stets auf die Anbindung an die niedergelassenen Kinderärzte hinzuweisen. Bei Hinweisen auf gesundheitliche Probleme, fehlende kinderärztliche Anbindung und fehlende Vorsorgeuntersuchung U9 kann bei Bedarf eine Anmeldung bei der schulärztlichen Sprechstunde im RGU erfolgen (https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Referat-fuer-Gesundheit-und-Umwelt/Gesundheitsfoerderung/Kinder_und_Jugendliche/Schulaerztliche_Sprechstunde).

Im Bereich Hören können wir Lehrkräfte zusätzlich auf die Unterstützung des Förderzentrums Hören an der Musenbergstraße zurückgreifen. Differenzierte Tests können zeigen, ob minimale Hörbeeinträchtigungen vorliegen oder ob etwa die Verarbeitung des Gehörten beeinträchtigt ist. Die Untersuchung ist kostenlos, Termine können direkt und ohne ärztliche Überweisung vereinbart werden. Eine frühzeitige Vermittlung der Eltern an das FZH ist sehr empfehlenswert.

Im Hinblick auf die geplante Aufteilung des RGU in die Referate „Gesundheit“ und „Klima- und Umweltschutz“ hat der MLLV bereits Stellung genommen und von der Stadt ausreichende Ressourcen für die rSEU gefordert. Erheblich mehr Fach- und Verwaltungspersonal sowie mehr Räume sind erforderlich, um die jährlich wachsende Zahl an Kindern im Kindergartenalter den neuen Standards entsprechend versorgen und die zusätzlichen Wiederholungsuntersuchungen bewältigen zu können. Zudem muss durch die Umstellung auf die rSEU zudem ein doppelter Untersuchungsjahrgang bewältigt werden.

Aktuell ist aufgrund des Einsatzes des medizinischen Personals in den Gesundheitsämtern zur Bewältigung der Corona-Pandemie noch unsicher, wann die flächendeckende Umsetzung der rSEU erfolgen kann.

 

Martin Göb-Fuchsberger