I had a dream – mebis.
Als ich vor ca. sechs Jahren das erste Mal mebis im Rahmen meines Erweiterungsstudiums in Medienpädagogik ausprobiert hatte, war ich zunächst überfordert, dann voller Euphorie, Neugierde und Tatendrang und dann, ja dann hab ich erstmal ein paar Jahre gewartet, denn in der Landeshauptstadt wurde mebis erst drei Jahre später für Lehrer verfügbar. Ich meldete mich für die Stelle des Mebiskoordinators und wollte starten. Dann stellte ich fest, dass die Internetverbindung in der Schule zu schlecht für eine Nutzung der Plattform war. Nicht zuletzt, da wir auch keinen Computerraum hatten, den mehr als 16 Schülerinnen und Schüler gleichzeitig hätten nutzen können. Okay, also dann kann man mebis eben als Hausaufgabentool verwenden. Dann stellte sich heraus, dass mehr als die Hälfte der Kinder keinen Computer zuhause hatte und die Benutzung mit Smartphones war damals sehr unbefriedigend. Also vielleicht im neuen Schuljahr und mit der Hilfe von Sponsoren. Doch dann wurde ich mobile Reserve und hatte erstmal keine Klassenleitung mehr.
Während dieser Zeit mussten wir ein Medienkonzept für unsere Schule schreiben und darin kam mebis zentral vor, jedoch nur, wenn wir Geräte bekämen. Denn ich war davon überzeugt, dass es nur an Überzeugungsarbeit bei den Kolleginnen und Kollegen und an den Endgeräten fehlte. Ich hatte nämlich sehr oft erlebt, dass Lehrkräfte sich einmal bei mebis einloggten, ohne Erklärung und Hilfe überfordert waren (so wie ich damals auch) und es dann nie wieder öffneten. Viele sahen darin nur mal wieder eine „Spinnerei von Oben“ und reagierten mit Sätzen wie: „Wir haben schon ganz andere Sachen ausgesessen.“ Ich war jedoch davon überzeugt, dass mebis einen echten Mehrwert schafft, dass man sich Arbeit sparen kann und dass Schülerinnen und Schüler stark davon profitieren können und habe deshalb Werbung dafür gemacht. Da man aber auch gut ohne mebis seinen Schulalltag bestreiten konnte, wurde es auch so gut wie nie verwendet.
Doch dann kam Corona. Jetzt, dachte ich, wird jeder mebis verwenden und die Vorteile dadurch erkennen. Und tatsächlich wollte eine große Zahl von Lehrkräften mebis auch nutzen und war froh, dass es schon eine Plattform gab, die man schon ein bisschen kannte. Wenn sie doch nur funktioniert hätte! Alle Kolleginnen und Kollegen, denen ich immer vorgeschwärmt hatte, was man mit mebis alles Tolles machen kann, waren ein bisschen sauer auf mich. Es war im Frühjahr nicht möglich, zuverlässig und konsistent über mebis zu arbeiten. Ständige Ausfälle und am Ende musste man die Sachen doch per WhatsApp oder E-Mail verschicken, nur mit dem dreifachen Aufwand. Wer aufwändig interaktive Inhalte erstellt hatte, der hatte dies oft umsonst gemacht. Viele sind auf MS Teams umgestiegen und/oder haben wieder per Mail oder sogar mit Briefumschlägen ihre Arbeitsblätter verteilt. Willkommen in Deutschland - einem der (noch) führenden Industriestaaten – im Jahr 2020.
Dann der Neustart nach den Sommerferien. Genügend Zeit, um Probleme bei mebis zu beheben, dachte ich. Ich hatte auch wieder eine Klassenführung und verteilte schon früh die Zugänge an meine Schüler. Noch bevor der Lockdown kam, nutzte ich mebis erfolgreich, als Backup für Schüler, die krank waren oder wegen Coronaverdacht in Quarantäne bleiben mussten. Alle Lehrinhalte waren nach dem Schultag online. Manchmal auch einfach nur der abfotografierte Hefteintrag. Die Jugendlichen lernten es zu schätzen und manche verbesserten sogar ihre Noten, weil sie ihre Hefte oder Bücher nicht mehr in der Schule vergessen konnten. Häufig stellte ich noch zusätzliche Materialien rein, wie Erklärvideos oder Dokumentationen. Mit dem Computer in meinem Klassenzimmer und mittlerweile auch schnellem Internet, war das nur wenig Zusatzaufwand. Auch eine Kollegin nutzte mebis mit Erfolg und sah die vielen Vorteile. Gefühlt war es auch schneller als zuvor.
Dann kam der zweite Lockdown. Ich nahm Erklärvideos auf, in denen ich neuen Stoff in Mathe einführte. Mit dem Tool H5P in mebis stoppen die Videos immer wieder und die Schüler müssen interaktiv ihre Lösungsvorschläge eintippen und bekommen so direktes Feedback. Ich verwendete interaktive Aufgabenformate, um Kontrolle darüber zu haben, was meine Schülerinnen und Schüler machten und wie gut das Gelernte verstanden wurde. Voller Enthusiasmus stellte ich alles online. Dann kam die Ernüchterung. Wieder alles down. Schöne Bildchen für die Fehlermeldungen, aber nichts dahinter. Ich war wirklich stinksauer! Viele Kinder meldeten sich bei mir. „Herr Rudolph, ich komm nicht rein!“ „Was soll ich jetzt machen, Herr Rudolph?“ Die ersten schon um halb neun am Morgen. Sie sind extra früh aufgestanden, weil ich gesagt hatte, dass sie nicht zu lang im Bett bleiben sollen, sondern Struktur im Tag brauchen. Außerdem hatten sie wirklich Lust darauf, mebis zu verwenden. Das war schon eine ordentliche Bremse. Im Laufe des Tages stabilisierte sich mebis jedoch und die Schülerinnen und Schüler konnten ihre Arbeiten erledigen. Auch die nächsten Tage kam es noch vereinzelt zu Ausfällen, aber es war immerhin nutzbar. Wahrscheinlich auch deswegen, weil viele nach dem ersten Tag das Handtuch geworfen hatten. Ich bin stur geblieben und wurde auch ein bisschen belohnt. Von meinen 22 Schülern haben 18 ihre Aufgaben bearbeitet, die anderen vier waren verschollen und weder per E-Mail noch telefonisch zu erreichen, sie oder die Eltern zu erreichen war aufwändig. So wird das wahrscheinlich vielen im Lockdown gegangen sein.
Aber was ist nun der große Vorteil von mebis im Vergleich zu MS Teams oder Padlet? Könnte ich nicht mit diesen Tools frustfreier arbeiten? Sehen diese Programme nicht viel schöner aus? Vielleicht, aber sie sind auch nicht so effizient. Im mebis erstelle ich einmal interaktiven Inhalt und jeder Lernende kann ihn nutzen. Alle Beteiligten bekommt sofortige Rückmeldung, ob etwas richtig oder falsch ist. Damit ist ein Großteil der Arbeiten quasi von alleine korrigiert. Lernvideos, mit H5P erstellt, funktionieren fast wie normaler Unterricht im Klassenzimmer. Da erkläre ich gewöhnlich etwas über die Tafel oder die Dokumentenkamera, stoppe und stelle dann eine Frage, dann melden sich zwei, drei Leute und davon rufe ich einen auf, der die Frage beantworten darf. Die einen sind enttäuscht, dass sie nicht aufgerufen wurden, die anderen froh, dass sich jemand anderes gemeldet hat. In mebis muss jeder antworten und somit auch mitdenken, selbst die, die normalerweise aus dem Fenster schauen. So kann ich kleinschrittig neuen Stoff einführen. Und wenn eine Schülerin oder ein Schüler es am Ende nicht verstanden hat, kann sie oder er das Video nochmal anschauen, ohne, dass die Lehrkraft genervt ist und sagt: „Das hab ich doch gerade erklärt!“ Die Auswertungen von mebis sind im Prinzip jeden Tag wie eine Lernstandsanalyse. Ich weiß von jedem Jugendlichen, wie gut er die Inhalte verstanden hat, sehe welche Art von Aufgaben noch Probleme bereiten. Ich weiß genau, wer was schon bearbeitet hat und kann direkt nachhaken, wenn es nicht gemacht ist. Auch meine Schülerinen und Schüler lernen sich besser einzuschätzen, weil sie häufiger Rückmeldungen bekommen, als das im Präsenzunterricht jemals möglich wäre. Es ist ein sehr hoher Grad von Individualisierung möglich. Okay zugegeben, in Deutschaufsätzen ist es schwierig automatisiertes Feedback zu verwenden, aber das gibt es bei MS Teams auch nicht. Aber bei vielen Inhalten ist es eben kein Problem. Und bevor ich der Klasse Arbeitsblätter zuschicke, die sie ausdrucken müssen (obwohl noch weniger einen Drucker haben als einen PC), welche sie bearbeiten, dann wieder abfotografieren, mir schicken und ich sie dann irgendwie korrigieren soll, übertrage ich die Aufgaben des Arbeitsblattes lieber in mebis. Ein Lückentext z. B. ist super einfach zu erstellen und spart mir jede Menge Arbeit. Ich muss ja keine neuen Inhalte erfinden, sondern nur die Darbietungsart ändern. Genauso bei den Lernvideos. Ich kann jedes YouTube Video oder eines der mittlerweile sehr guten mebis Mediathek mit wenigen Klicks einbinden und mit Lückentexten, Multiple Choice oder Zuordnungsaufgaben versehen.
Mebis ist meiner Meinung nach kein Tool für besonders Fleißige, sondern eher für solche, die effizient arbeiten wollen.
Umso ärgerlicher ist es, wenn es nicht funktioniert. Denn das Konzept von mebis ist toll, aber wenn man es nicht verwenden kann, weil es zusammenbricht, nützt es keinem. Das hat sich zwar schon verbessert, aber ist noch lange nicht perfekt. Man muss fairerweise aber auch erwähnen, dass mebis eigentlich nicht für den flächendeckenden Fernunterricht entwickelt wurde, sondern als ein Zusatz, zum normalen Präsenzunterricht. Nur blöd, wenn man das am Anfang der Pandemie anders kommuniziert. Und da die ganze Plattform auf der Open Source Software Moodle basiert, kann man das System auch nicht beliebig mit Servern erweitern, da diese nicht für millionenfache, gleichzeitige Nutzung konzipiert wurde.
Während ich diese Zeilen schreibe, gibt Kultusminister Piazolo bekannt, dass nach den Weihnachtsferien mebis nur gestaffelt nach Schulnummern verwendet werden soll. Meine Schulnummer suche ich jedoch vergeblich, da man davon ausgeht, dass die Mittelschulen mebis ohnehin kaum nutzen. Schon lustig, dass man also etwas entwickelt, bei dem man denkt, dass man es nicht verwendet?!
Wie geht es also weiter? Die Schulen sind zu und irgendwie muss man seine Schülerinnen und Schüler beschulen. Geht das über mebis? Ja, aber nicht komplett. Es wird niemals möglich sein, dass morgens um 8 Uhr alle Schüler gemeinsam mit dem Unterricht auf mebis beginnen. Da helfen auch keine tausend Server mehr. Im Laufe des Tages sollte es aber möglich sein, wenn sich die Last etwas mehr verteilt.
Das heißt, für eine Pandemie und Fernunterricht ist mebis alleine nicht die Lösung. Aber irgendwann wird – so Gott will – diese Ausnahmesituation ein Ende haben und dann kann mebis eine wirkliche Bereicherung für die Schulen sein. Dann kann es auch dazu verwendet werden, als was es eigentlich gedacht war: Eine wertvolle Ergänzung zum Präsenzunterricht.
Wolfgang Rudolph - Stellvertretender Leiter Abteilung Kommunikationskoordination