Ruhestand – Ja bitte? – Nein danke?

„Im Ruhestand muss man nicht mehr tun, was sich rentiert, sondern kann tun, was sich lohnt.“ (Ernst  Reinhardt, Schweizer  Publizist)

In der Märzausgabe 2021 der MLZ  beschäftigte sich Gabriele Seilmeier mit dem  Thema, wie der Einstieg in den Berufsausstieg gelingen kann. Daran anknüpfend haben sich drei Kolleginnen bereiterklärt, ihre persönlichen Erfahrungen zu schildern. Ihnen sei unser Dank gewidmet.

Beim Einstieg in einen Beruf gibt es viele Helfer/innen, Unterstützer/innen, Betreuer/innen, Ratgeber. Der/Die Berufseinsteiger/-in ist in der Regel neugierig, gespannt und freut sich auf die neuen Herausforderungen. Beim Ausstieg ist man häufig allein gelassen mit seinen Ängsten, Sorgen, Fragen. Wie wird es weitergehen? Was soll ich mit meiner freien Zeit anfangen? Wie kann ich sie sinnvoll nutzen? …  Auch hier gibt es viele Ratgeber in der Literatur, aber die Entscheidung, wie wir unser Leben weiterhin gestalten wollen, ist uns selbst überlassen.  Freut man sich auf den Ruhestand, tut man sich da wohl leichter. So werden von jedem der Übergang in den Ruhestand, die Zeit davor, die Zeit danach, unterschiedlich empfunden.

Barbara Mang

Petra Henninger, Regierungsschuldirektorin

Korrekterweise muss ich schreiben „Mein Leben in der Freistellungsphase“, denn meine Pension beginnt erst im Mai 2022. Trotzdem fühlt es sich an wie Ruhestand. Wie ist es mir ergangen? Wie habe ich den Übergang gestaltet? Immer wieder wurde mir empfohlen, dass eine richtige Vorbereitung auf den Berufsausstieg wichtig sei. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mir dazu die Zeit fehlte. Vieles wollte ich in der Arbeit noch zu Ende bringen und für meine Nachfolge vorbereiten. Allerdings hatte ich schon etliche Vorsätze für meine neu gewonnene Freiheit. Ich wollte mich mehr um die Familie kümmern, Reisen unternehmen, ins Theater gehen und Museen besuchen. Bei den zuletzt genannten Vorhaben kam die Pandemie dazwischen und schränkte meinen Unternehmungsgeist doch etwas ein. Trotzdem wurde kein Tag langweilig. Ziemlich rasch hat sich ergeben, dass ich in einem Förderverein einer Kirchengemeinde zur Vorsitzenden gewählt wurde. Das ist eine ehrenamtliche, schöne Aufgabe. Hier kann ich nach meinen Wertvorstellungen handeln und mit einem engagierten Team das Gemeindeleben mitgestalten. Soziale Kontakte sind wichtig für mich und waren das schon immer. Diese müssen gepflegt werden. Regelmäßig treffe ich mich mit Freundinnen und Freunden. Dabei stehen Austausch, kulturelle Aktivitäten und kleine Wanderungen im Vordergrund. Viel Freude bereiten mir auch die MLLV-Pensionisten-Stammtische. Das gemeinsame Miteinander ist bereichernd, Anregungen für mögliche Unternehmungen nehme ich gerne an. Mein großes Glück sind meine Enkelkinder. Ich staune über deren Entwicklung und freue mich über ihre strahlenden Augen, wenn sie die kleinen Wunder der Natur entdecken. Sogar Nacktschnecken betrachten sie mit Entzücken!

Viel Positives habe ich nun erwähnt.  Dennoch war der Abschied vom Berufsleben schon ein Meilenstein, eine Zeit der Veränderung.  Mit dem Ruhestand stellt sich nicht automatisch ein persönlich zufriedenes Leben ein. Ich habe erfahren, dass ich mir dieses erstrebte Ziel erarbeiten muss. Und ich „arbeite“ immer noch daran. Gerne denke ich an meine berufliche Arbeit zurück. Ich bin dankbar, dass ich verschiedene Aufgaben an unterschiedlichen Orten übernehmen durfte und …. dass ich gesund in die Freistellungsphase eintreten konnte.

Dorothea Wilhelm, Rektorin GS

Im Sommer 2018 war nach 43 erfüllten, erfüllenden und überwiegend glücklichen Berufsjahren Schluss!

Die Sinnfrage war 43 Jahre keine Frage! Die Arbeit als Klassenlehrerin oder später in der Schulleitung brauchten Verstand, Herz, Humor, Organisationsvermögen und immer der Blick auf die Bedürfnisse von Kindern, Eltern, Team, Externen, aber auch das Erkennen von Möglichkeiten, wie die Ziele mit Hilfe von Schulamt, Landeshauptstadt, Stiftungen, Förderverein oder anderen hilfreichen Mitstreiterinnen zu erreichen sind.

Jetzt also Schluss! Von 120 auf null! Es fehlten das Lachen im Lehrerzimmer ab 7 Uhr morgens, das durch die offene Bürotür hereinschallte, die Anerkennung für das gemeinsam Erreichte, viele positive Rückmeldungen – natürlich auch manche andere! – und eben der Sinn!

Natürlich gibt es Familie, Verwandtschaft, Freunde, Reisen, Musik, Konzerte, Sport, Theater, Bücher, Ausstellungen, gutes Essen! – aber all das gab es auch früher, wenn natürlich in zeitlich schmalerem Rahmen.

Der Absturz ins tiefe Loch war bodenlos, der Aufstieg nur zentimeterweise möglich und bis heute nicht abgeschlossen…
Ich hatte weder Zeit noch Kraft mich vorzubereiten, hätte auch nicht gewusst, wie.
Freilich waren Müdigkeit und Erschöpfung durchaus ein Thema, auch, dass gerne ein neuer und anderer Wind in „meiner“ Schule wehen soll und darf – für mich war es ein riesiger Verlust, diese schöne Aufgabe nicht weiter ausüben zu können.

Brigitte Uretschläger, Seminarrektorin MS Dachau

Ende November. Der Blick nach draußen, früh um 7:00 Uhr, zeigt mir Schneeregen, kalt, trüb, nass, grau und noch dunkel. Früher, zu meiner aktiven Zeit, war das der Zeitpunkt, zur Seminararbeit aufzubrechen. Seit ich pensioniert bin, kann ich gelassen nach draußen sehen. Ich könnte mich wieder ins Bett legen oder aber einen Cappuccino machen und die Süddeutsche lesen. Ich entscheide mich in der Regel für Zweiteres.

Mein letztes Jahr als Seminarrektorin, drei Jahre her. Schon früh war mit meiner Nachfolgerin ausgemacht, dass ich ihr meine Unterlagen zur Verfügung stellen würde. So verbrachte ich immer wieder Zeit damit, digitale und Papieraufzeichnungen zu aktualisieren und von Überflüssigem zu trennen. Allerdings bedeutete es auch, mich immer wieder innerlich zu verabschieden von vertrauten Inhalten, Skripten, Ideen, Projektplanungen. Ja, zugegeben, gelegentlich war das mit ziemlich wehmütigen Erinnerungen verbunden. Aber Blick nach vorn, das Leben geht auch nach dem letzten Seminarjahr weiter! Das versöhnliche Ende: Das Auto meiner Nachfolgerin bis oben hin voll gestopft mit hoffentlich hilfreichem Material und mein Arbeitszimmer leer.

Wenn etwas in meinem Leben ein Problem war, dann das frühe Aufstehen. Ich wusste, hätte ich die Gelegenheit auszuschlafen, würde ich das gnadenlos ausnützen und den Rest der mir noch verbleibenden Tage frühestens um zehn Uhr beginnen. Aber weiß ich denn, wie viel Zeit mir noch bleibt? Also gegensteuern, die Zeit nutzen. Und was lag näher als das fortzusetzen, was ich immer am Besten konnte, nämlich Lehren? Also gebe ich Deutschkurse an der VHS, habe zugegebenermaßen einen ähnlichen Tagesrhythmus wie auch vorher und bin glücklich damit, eine sinnvolle Aufgabe zu haben und nebenbei neue, interessante Menschen kennenzulernen.

Ich habe auch immer genossen, als Seminarleiterin zu denen zu gehören, die schon sehr früh in neue Entwicklungen im Bereich Schule eingebunden waren. Neues erfahren, Neues dazu lernen, neue Ideen für die Seminararbeit generieren. Und ich wusste, auch im Ruhestand will ich immer noch dazu lernen. Grund genug, frühzeitig zu planen. Ich habe mich unter anderem entschieden, meine bestehenden Sprachkenntnisse zu vertiefen und eine neue Sprache zu lernen. Zunächst unentschlossen, welche Sprache es sein soll, entschied ich mich gegen Kisuaheli, Chinesisch oder Russisch, sondern ganz banal für Italienisch, denn…

Das an der VHS verdiente Geld stecke ich in Reisen. Reisen stand auch schon immer auf meiner Agenda, aber jetzt als Rentnerin kann ich ausnutzen, dass ich nicht mehr auf die Ferienzeiten angewiesen bin, Lanzarote im Frühjahr, Andalusien im Herbst und immer wieder Italien… Tatsächlich spart man außerhalb der Ferien ordentlich Geld, andererseits ist man ja nicht die Einzige, die außerhalb der Ferien verreist und ganz ehrlich, so manches Mal beschlich mich das ungute Gefühl, dass im Ausland sowieso nur RentnerInnen unterwegs sind- und ich natürlich. Aber ich gehöre da doch noch nicht dazu, oder doch? Hadern mit dem Alter? Gelegentlich…

Ja und dann kam ganz unerwartet Corona: Lockdown, Ausgangsbeschränkung, Kontaktreduzierung, Familie nur auf Distanz, einsame Spaziergänge an der Isar mit einer Million anderer einsamer Spaziergänger und lange Tage zu Hause. Erstaunlich, wie mich dann auch im Ruhestand die viel propagierte Digitalisierung eingeholt hat! Deutschunterricht von zu Hause aus am Computer, Italienischkurs online, Pilates per Zoom und Videozusammenkünfte mit der Familie- Netflix.

Geht es mir, nüchtern betrachtet, gut im Ruhestand? Ich denke, ja. In das große Loch, das man mir prophezeit hatte, bin ich nicht gefallen. Und wenn ich das Corona bedingte Geschehen in Schule und Seminar jetzt betrachte, habe ich, glaube ich, den Absprung genau rechtzeitig geschafft.