Kommentar

Wunsch und Wirklichkeit: Die „reformierte Schuleingangsuntersuchung“ (rSEU)

Zweifellos: Die Schuleingangsuntersuchung ist gerade in dieser Zeit ein unverzichtbares Instrument des Kinderschutzes. Das Gesundheitsreferat (GSR) hat dies erst kürzlich auf eine Stadtratsanfrage der Linken hin bestätigt (Zitate aus der Rathaus Umschau vom 9.11.21): So „konnten einige besonders schwere Kinderschutzfälle erkannt, geeignete Maßnahmen etabliert und Kindeswohlgefährdungen abgewendet werden. In den hier betrachteten Fällen handelte es sich überwiegend um Familien, deren Kinder aufgrund der pandemischen Situation aus dem institutionellen Blick verschwunden waren.“

Und: „Vorläufige Daten aus dem internen Qualitätsmanagement sowie die fachliche Einschätzung der bei der Gesundheitsuntersuchung tätigen Gesundheits- und Kinderkrankenpflegekräfte und der Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendmedizin zeigen Hinweise auf eine Zunahme der Häufigkeiten in den Bereichen mangelnde Deutschkenntnisse, fehlende häusliche Förderung, psychosoziale Belastungsfaktoren, mangelnde soziale Teilhabe, Verdacht auf psychische Erkrankungen, Adipositas und fehlende kinderärztliche Anbindung. Durch die Corona-Pandemie hat sich die sozial bedingte Ungleichheit bei Kindern verstärkt. Mehr Kinder als in den Vorjahren zeigen insbesondere Defizite bei den Deutschkenntnissen und Entwicklungsrückstände sowie Folgen des Bewegungsmangels.“

Da ist es sicher ein hervorragender Ansatz, die Untersuchung bereits im vorletzten Kindergartenjahr durchzuführen, damit vor dem Schuleintritt noch genügend Zeit für förderliche Maßnahmen ist (MLZ berichtete). Genau das war wesentlicher Beweggrund für die bayernweite Einführung der rSEU.

Allerdings mangelt es laut GSR an vielen Stellen an Strukturen und Personalkapazitäten, die für Förderung und Therapie nötig wären: „Weitere Handlungsbedarfe bestehen im Auf- und Ausbau der Unterstützungsangebote für Familien mit jüngeren Kindern mit Übergewicht und Adipositas, für Angebote der frühen Sprachförderung und deren konsequente Durchführung, für mehr Plätze in Heilpädagogischen Tagesstätten (HPT) und schulvorbereitenden Einrichtungen (SVE) sowie für kinder- und jugendpsychiatrische Therapieangebote.“

Genau das betont der MLLV seit Jahren und hat konkrete Forderungen u. a. im Rahmen des „Bayerischen Bündnisses für Sprachbildung“ eingebracht. Aber die Situation verschärft sich weiter. Ein Zeichen der desaströsen Lage ist, dass sich das Staatliche Schulamt aufgrund des Personalmangels gezwungen sah voll ausgebildete Lehrkräfte aus den Vorkursen Deutsch abzuziehen und zahlreiche DeutschPLUS-Angebote in die Hände unzureichend qualifizierten Personals zu geben.

Unter diesen Voraussetzungen bringt die neue rSEU leider nur wenig und es bleibt unverständlich, warum sie gerade jetzt eingeführt werden musste.

Martin Göb-Fuchsberger