Deutschklassen – ein bitteres Fazit nach 3 Jahren der Umstrukturierung
Isabel Franz (2. Vorsitzende des MLLV) und Dr. Julia Bernreuther (Abteilungsleiterin Dienstrecht und Besoldung) hatten die Gelegenheit, sich mit Anneliese Willfart (Abteilungsdirektorin ROB) und Anne Radlinger (Leitende Regierungsschuldirektorin ROB) zu treffen, um die aktuelle Situation der Deutschklassen nach der Umstrukturierung aus Sicht der Praxis zu beleuchten und um Verbesserungen für Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte anzustoßen. Dabei wurden die Schwerpunkte auf den spürbaren und nachgewiesenen schlechteren Lernstand der Kinder nach einem Lernjahr sowie auf die mangelnden Rahmenbedingungen der Sprach – und Lernförderung gelegt.
Unser gemeinsames Ziel sollte es immer sein, die bestehenden Bedingungen an Schulen mit Deutschlernklassen so zu gestalten, dass auch die Schülerinnen und Schüler, die verspätet in das bayerische Schulsystem einsteigen, eine Chance bekommen, einen erfolgreichen Abschluss zu erreichen, um ein gewinnbringendes Mitglied unserer Gesellschaft zu werden.
Die völlig überraschende Umstrukturierung der Übergangsklassen in Deutschklassen ist seit drei Jahren nun vollzogen und hat dabei jeden vor vollendete Tatsachen gestellt. Dabei wurde nicht nur der Name der Klassen geändert. Besonders schmerzhaft war der völlige Verzicht auf das 2. Lernjahr. Dafür wurden die Deutschklassen zu einer Sprach- und Lernförderung im offenen oder gebundenen Ganztag verpflichtet. Dieser Schritt wurde vom MLLV seither scharf kritisiert.
Das Treffen in der Regierung hatte jetzt den Schwerpunkt, die zutage tretenden Folgen aus der Praxis heraus zu erläutern und Verbesserungen anzustoßen, um das oben genannte Ziel zu erreichen.
Isabel Franz und Dr. Julia Bernreuther zeigten die aktuellen Herausforderungen auf zwei Ebenen auf. Die Probleme aus Sicht der Schülerschaft und die Probleme der Organisation und Durchführung der Sprach- und Lernförderung aus Sicht der Schulleitungen und Träger.
Sprach- und Lernförderung
Es ist festzuhalten: Theorie und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.
In der Theorie soll durch die Umstrukturierung am Vormittag im Unterricht der Schwerpunkt auf der Vermittlung von theoretischem Wissen der deutschen Sprache liegen. Am Nachmittag soll dann das theoretische Wissen durch die verpflichtende Sprachförderung (im gebundenen, offenen Ganztag oder ein gesondertes Sprachprogramm) durch größtenteils externes Personal angewandt und vertieft werden.
In der Praxis lässt sich vor allem die Sprachförderung durch das externe Personal nur schwer verwirklichen. Die Träger finden durch das äußerst geringe Budget und den Mangel an Fachkräften nicht das passende Personal.
Es ist festzuhalten:
Um gute Sprachpraxis-Kurse anbieten zu können, reicht das zur Verfügung stehende Budget nicht aus. Es bedarf dringend einer deutlichen Erhöhung. Es mag sein, dass in Kleinstädten und in ländlichen Regionen das Geld ausreicht, um gut deutschsprechendes Personal einzustellen. In Großstädten wie München nicht.
Folge:
- Die Akquise ist katastrophal, damit kann nicht das passende, gut ausgebildete Personal angeworben werden.
- Die Sprachpraxis wird zwar augenscheinlich angeboten, beschränkt sich aber durch die schlechte Bezahlung auf einem sehr niedrigen Niveau.
- Dadurch haben die Schülerinnen und Schüler nicht den gewünschten Anteil an Übung und Vertiefung.
- Das gestrichene Lernjahr kann so nicht aufgeholt werden.
- Die Kinder der Deutschklassen haben extreme Probleme, den Anschluss in den Regelklassen zu finden.
- Ein Abschluss rückt in weite Ferne.
Lernstand der Schülerinnen und Schüler nach einem Lernjahr
- Es ist nicht nur spürbar, sondern mittlerweile auch nachweisbar, dass die Kinder, die nach einem Lernjahr in die Regelklasse wechseln, wesentlich größere Probleme haben, dem Unterricht zu folgen als nach zwei Lernjahren.
- Es verbleibt den Schülerinnen und Schülern zu wenig Zeit bis zum Abschluss, um die Lücken aufzuholen.
- Die Zahl, die in den M-Zweig wechseln, ist deutlich gesunken.
- Die Frustration der Schülerinnen und Schüler steigt, wenn sie keinen Anschluss finden.
- Disziplinäre Probleme sind die logische Folge.
Folgen für die Lehrkräfte:
- Die Lehrkräfte müssen zu den „normalen“ Differenzierungen jetzt auch noch eine DaZ-Differenzierung stemmen und das in fast jedem Fach.
- In vielen Fällen fehlt den Lehrkräften die DaZ-Ausbildung, extra Fortbildungen müssen besucht werden, und die Zeit, um den Kindern gerecht zu werden.
Forderungen des MLLV bei Beibehaltung der Deutschklassen mit einem Lernjahr:
- Es muss wesentlich mehr Geld für die Sprachförderungen zur Verfügung gestellt werden.
- Gut ausgebildetes Personal muss akquiriert werden, das die Schülerinnen und Schüler sprachlich weiterbringen kann.
- Die Lehrkräfte der Deutschklassen müssen entscheiden können, wann eine Schülerin oder ein Schüler ein weiteres Jahr in die Deutschklasse geht, nicht die Anzahl der Monate, die sie oder er eine deutsche Schule besucht.
- Das DeutschPlus- Budget muss für München deutlich erhöht werden, um Förderungen zu realisieren
- Gute und bewährte Förderprogramme, die an Schulen bereits erfolgreich praktiziert werden, müssen gefördert werden.
- Schulleiterinnen und Schulleiter mit Deutschklassen benötigen mehr Leitungszeit.
Frau Willfahrt und Frau Radlinger waren dankbar, einen praxisnahen Bericht über den Stand der Deutschklassen zu bekommen. Sie sahen, dass sich vor allem im Bereich der Sprach –und Lernförderung etwas bewegen muss. Sie sicherten zu, weiter im Gespräch zu bleiben und Verbesserungen in diesem Bereich anzustreben.
Wir bedanken uns ausdrücklich für dieses Gespräch und hoffen für unsere Schülerinnen und Schüler der Deutschklassen, auf weitere gute Zusammenarbeit.
Dr. Julia Bernreuther, Isabel Franz