„Fairtrade-Stadt“ München
Was bedeutet dieser Titel für die Münchner Schulen?
Die Stadt München trägt einige klangvolle Titel, auch im Bereich Nachhaltigkeit. Dass München schon seit 2013 „Fairtrade-Stadt“ ist, dürfte eher wenig bekannt sein. Anlässlich der erneuten Auszeichnung tauschte sich MLLV-Abteilungsleiter Martin Göb-Fuchsberger mit Sylvia Baringer von der Fachstelle Eine Welt im städtischen Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) aus.
MLZ: Die Stadt München wurde vor Kurzem erneut als „Fairtrade-Stadt“ ausgezeichnet und hat zudem zur Auszeichnung als „Faire Metropolregion München“ im Sommer 2021 beigetragen. Was steht hinter diesen Auszeichnungen?
Baringer: Der Münchner Stadtrat hat 2011 beschlossen, dass sich München an der weltweiten Kampagne Fairtrade Towns beteiligt. Die Kampagne hat das Ziel, den fairen Handel auf lokaler Ebene voranzubringen.
München hat bei der Bewerbung 2013 die fünf Kriterien erfüllt und wurde in diesem Jahr von der Fairhandelsorganisation Transfair e.V. in Köln erstmals ausgezeichnet. Ein wichtiges Kriterium war, dass eine Steuerungsgruppe in München gegründet wird, in der sich lokale Akteur*innen gut vernetzt für den fairen Handel vor Ort engagieren. Als weiteres Kriterium ist seitdem erfüllt: So trinkt der Münchner Stadtrat bei den Vollversammlungen Kaffee und Tee aus fairem Handel.
Für die Titelerneuerung hat die Jury die fünf Kriterien überprüft. So gibt es in München auch ausreichend viele Fair-Trade Angebote im Einzelhandel und in der Gastronomie. Des Weiteren verwenden öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Vereine und Kirchen ausreichend Produkte aus fairem Handel, und auch die vielen Angebote im Bereich der nachhaltigen Bildungsarbeit haben zur Titelerneuerung beigetragen.
Sehr erfreulich ist die ganz frische Auszeichnung als faire Metropolregion München in diesem Sommer. München hat - wie viele andere engagierte Fairtrade-Gemeinden aus der Metropolregion - einen Beitrag zur Bewerbung geleistet. Auch hier gibt es eine übergreifende Steuerungsgruppe, die sich nun explizit dem Thema fairer Handel widmet.
MLZ: Wie wirkt sich diese Auszeichnung konkret aus?
Baringer: Die Kampagne trägt dazu bei, dass der faire Handel in der öffentlichen Wahrnehmung präsenter ist und viele unterschiedliche Gruppen und Organisationen, aber auch die Stadtverwaltung sich für die Ziele des fairen Handels gemeinsam einsetzen.
Der Titel Fairtrade Stadt München ist als Dach zu verstehen. Wir sprechen unterschiedliche Kooperationspartner*innen an, z. B. Fairhandelsorganisationen, Weltläden, Netzwerke wie z. B. das FairFashion-Netzwerk in München, außerschulische Bildungsakteur*innen und auch Münchner Schulen. Daraus entstehen neue Projekte, Veranstaltungen, Workshops, Bildungsangebote und vieles mehr, die gemeinsam konzipiert und durchgeführt werden.
MLZ: Ein erheblicher Anteil des städtischen Beschaffungswesens entfällt auf Schulen und Kitas. Welche Rolle spielen hier Produkte aus „Fairem Handel“?
Baringer: Die Landeshauptstadt München berücksichtigt zunehmend mehr Nachhaltigkeitskriterien bei der öffentlichen Beschaffung. Insbesondere sozial-verantwortliche Aspekte, wie die Einhaltung von Menschenrechten, internationalen Arbeitsrechten, Gesundheitsschutz, gleicher Lohn für Frauen und Männer, keine ausbeuterische Kinderarbeit bei der Produktion in Ländern des Südens und andere internationale Sozialstandards und Grundsätze des fairen Handels sind zunehmend im Fokus.
Ein konkretes Beispiel ist die Beschaffung von fairen Sportbällen für Münchner Schulen. Seit 2014 werden Fuß- und Handbälle für Münchner Schulen nur noch mit Siegel des fairen Handels eingekauft. Etwa alle zwei Jahre testen Lehrer*innen die Qualität der Bälle, die Ergebnisse sind die Basis für städtische Rahmenverträge.
MLZ: „Fairer Handel“ ist zentraler Bestandteil mehrerer „Sustainable Development Goals“ (SDG) der UN-Agenda 2030, steht in der öffentlichen Wahrnehmung von Nachhaltigkeit aber oft noch deutlich hinter Umwelt- und Klimaschutz zurück. Warum ist das problematisch und welche Perspektiven sehen Sie?
Baringer: Aufgrund der großen und dringenden Herausforderung der weltweiten Klimakrise geraten die sozialen Nachhaltigkeitsziele wie Wahrung der Menschenrechte, gerechte Arbeits- und Produktionsbedingungen, Geschlechtergerechtigkeit und andere wichtige Themen des fairen Handels in den Hintergrund. Wichtig ist umzudenken, nicht in Kategorien, sondern die Themen Ökologie, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit vernetzt zu denken.
Ein Beispiel: Wir können den amazonischen Regenwald nicht wirklich schützen, ohne die Menschen, die dort leben, zu unterstützen und uns gemeinsam für den Schutz des Regenwaldes einzusetzen. Dieses Beispiel zeigt, dass integriertes - eben nachhaltiges - Denken für die Zukunft wegweisend ist. Ökologie und Klimaschutz braucht Menschen und gute soziale Bedingungen, um wirklich Fortschritte zu erzielen und voranzukommen. Die Standards des fairen Handels sind hier ein wichtiger Baustein, neben nachhaltigem Wirtschaften und solidarischer Ökonomie.
MLZ: Angesichts der Brisanz der Thematik begrüße ich es sehr, dass die Stadt München die Entwicklung mit geeigneten Strukturen und Netzwerken stetig fördert und den Anteil „fair“ gehandelter Produkte im Beschaffungswesen trotz akuter finanzieller Engpässe und erheblicher praktischer Hindernisse weiter erhöhen will.
Wenn unsere Schülerinnen und Schüler sehen, dass auch ihre Schule zahlreiche „fair“ gehandelte Produkte bezieht, die sie im Alltag verwenden, wird jeder Unterricht zum Globalen Lernen noch erheblich glaubwürdiger und motiviert noch stärker zum Mitmachen. Herzlichen Dank für Ihr Engagement und viel Erfolg weiterhin!
Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik.
Ein Projekt der Fairtrade Stadt München: Die bio-faire München Schokolade und der München Kaffee.
Mehr Infos unter:
(Foto: Fairkauf Handelskontor München eG)