Mobile Luftfilter: Kritische Bilanz zum Förderprogramm

50 Millionen Euro – Nutzen fraglich

Eigentlich war es im Herbst 2020 ja eine gute Idee, möglichst schnell für besseren Infektionsschutz an den bayerischen Schulen und Kitas sorgen zu wollen und dabei auch die Atemluft in den Blick zu nehmen. 37 Millionen Euro für Schulen und 13 Millionen Euro für Kitas waren auch eine recht ansehnliche Summe.

Warum die Staatsregierung allerdings entschieden hat, neben den durchaus sinnvollen CO2-Sensoren in weitaus höherem Umfang mobile Luftfiltergeräte zu fördern, bleibt im Dunklen. Schließlich schaffen solche Geräte keine umfassende Raumlufthygiene, können ausgiebiges Lüften nicht ersetzen, haben weitere gravierende Nachteile, nicht zuletzt in den Bereichen Akustik und Nachhaltigkeit, und können den erhofften Infektionsschutz auch nur unter optimalen Bedingungen leisten (MLZ berichtete mehrfach). Konsequent hat die Stadt München trotz wiederholter öffentlicher Aufforderung des Kultusministers keine mobilen Luftfilter bestellt.

Der Wert von CO2-Sensoren in Räumen ohne automatische Lüftungsanlage ist hingegen unbestritten, da sie zuverlässig anzeigen, wenn die Luft so weit verbraucht ist, dass die Fenster geöffnet werden müssen. Erfahrungsgemäß ist dies meist wesentlich schneller der Fall als allgemein angenommen. So hat auch die Landeshauptstadt München Sensoren für rund 1,2 Millionen Euro gefördert bekommen. Warum sich die Stadt allerdings mit ihrem Antrag offenbar ziemlich viel Zeit gelassen hat[1] und die Geräte erst kurz vor Ostern an den Schulen angekommen sind, bleibt unklar.

Am Rande bemerkt: Da weder CO2-Sensoren noch mobile Luftfiltergeräte für frische Luft sorgen können, wirkt der offizielle Titel der Initiative „Förderprogramm Lüften“ schon ziemlich weit hergeholt, wenn nicht gar irreführend.

Mein Fazit

Kultus- und Sozialministerium ziehen eine positive Bilanz und bewerten das Förderprogramm als „erfolgreich“. Fakt ist jedoch:

  • Die mobilen Luftfiltergeräte für Schulen haben allein den Freistaat fast 27 Millionen Euro gekostet. Hinzu kommen Eigenanteile und Folgekosten für die Schulträger sowie die Kosten für Filter in Kitas in erheblicher Millionenhöhe.
  • Auch wenn man mit den Filtergeräten für Schulen und Kitas einen Turm stapeln könnte, der fast 20 km weit bis in die äußere Atmosphäre reichen würde[2], können damit nur etwa 19% der Schulklassen[3] bzw. 12% der Unterrichtsräume[4] ausgestattet werden und nur 12,5% der Kitas erhalten rechnerisch ein einziges Gerät.
  • Herstellung und Betrieb der Filter verursachen einen weiteren Anstieg der CO2-Emissionen und darüber hinaus auch erhebliche Mehrkosten für die Träger, die nun zudem für eine hygienisch einwandfreie Funktion jedes Geräts verantwortlich sind.
  • Je nach Lebensdauer der Geräte wird in wenigen Jahren ein Berg von etwa 1300 Tonnen Elektroschrott[5] anfallen.

Wenn in den bayerischen Kitas und Schulen die seit Jahren geltenden Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes, der Arbeitsstättenverordnung und der ASR 3.6 entsprechend umgesetzt worden wären, wäre das ganze Programm völlig unnötig gewesen.

Wäre, hätte... In der gegebenen Situation war die Förderung von CO2-Sensoren auch aus meiner Sicht ein pragmatischer Schritt, um die Pädagoginnen und Pädagogen vor Ort dabei zu unterstützen rechtzeitig zu lüften. Falls Räume entgegen baurechtlicher Vorgaben tatsächlich nicht ausreichend belüftet werden können, mögen auch richtig dimensionierte und gewartete Filtergeräte vorübergehend hilfreich sein. Immer vorausgesetzt, dass all diese Geräte schnell zum Einsatz kamen, was nicht durchgehend sicher ist.

Grundsätzlich führen mobile Luftfiltergeräte jedoch in eine teure Sackgasse. Der Klimawandel wird schon in absehbarer Zeit andere Investitionen erforderlich machen: Nur mit Lüftungsanlagen mit hoher Wärmerückgewinnung wird nicht länger Heizenergie zum Fenster hinaus gelüftet und unnötig CO2 fossiler Energieträger freigesetzt.

Leider hat die Staatsregierung das bisher nicht so gesehen. Minister Piazolo lehnte im Januar den Vorschlag des MLLV ab, die Nachrüstung mit Lüftungsanlagen in das Förderprogramm aufzunehmen. Darüber hinaus bemühte sich weder das Kultus- noch das Sozialministerium beim Bund um Fördermittel für neue Lüftungsanlagen.

Martin Göb-Fuchsberger

[1] Der Antrag der LHM hat innerhalb Oberbayerns die lfd. Nr. 224 (zum Vergleich: Der Antrag der Stadt Nürnberg hat die lfd. Nr. 21 in Mittelfranken).
[2] Anhaltspunkt für die eigene Berechnung ist das technische Datenblatt eines häufig beworbenen Geräts in der entsprechenden Leistungsklasse.
[3] Laut Münchner Merkur vom 15.03.2021 gibt es in Bayern etwa 74.000 Klassen.
[4] Einem Antrag der SPD-Landtagsfraktion vom 14.05.2021 zufolge gibt es in Bayern einschließlich der Fachlehrsäle rund 114.000 Unterrichtsräume.
[5] vgl. Fußnote 3

Bund fördert neue Lüftungsanlagen - München muss nur noch zugreifen!

Wie Kanzleramtsminister Braun am 14. Mai bekannt gab, fördert das Bundeswirtschaftsministerium ab sofort neue Lüftungsanlagen für Kitas und Grundschulen zu 80%. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Maßnahmen trotz des baulichen Aufwandes und der immensen Zahl benötigter Geräte in der Breite bis zum Beginn des neuen Schuljahres umsetzbar sind. Dieser äußerst sportliche Zeitplan soll dann einen uneingeschränkten Betrieb gewährleisten, da Kinder unter 12 Jahren voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2022 Corona-Schutzimpfungen erhalten können. Damit wäre wirklich ein Meilenstein auf dem Weg zu gesundem und nachhaltigem Betrieb von Schulen und Kitas erreicht.

Ich hoffe sehr, dass sich die Stadt München nun rasch entschließt, dieses nachhaltige Förderprogramm optimal auszuschöpfen. Und es kommt Bewegung in die Stadtpolitik: Noch am 17. Mai schrieb Stadtschulrat Florian Kraus an den MLLV: „Bezogen auf die aktuelle Corona-Pandemie wäre für die Münchner Schulen keine sofortige, rasche bauliche Änderung umsetzbar, die auch nur annähernd im zeitlichen Kontext der aktuellen Pandemie stünde. [...] Die Schulen konnten sich in den letzten Monaten CO2-Ampeln beschaffen und haben damit für den Alltagsbetrieb eine praktikable Möglichkeit, im Unterricht adäquat zu reagieren. Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie um Verständnis dafür, dass die Stadt derzeit auf den Einbau dezentraler Lüftungsanlagen in den Schulen verzichtet.“

Schon am 21. Mai beantragte die Rathauskoalition hingegen ein Pilotprojekt „Gesunde Raumluft in den Klassenzimmern“ und schloss sich in der Begründung den Argumenten des MLLV an: „In jedem geschlossenen Raum, in dem sich Menschen aufhalten, besteht ein erhöhtes Risiko, sich mit Viren oder Bakterien aus der Luft zu infizieren. Gerade Kinder, Erzieher*innen und Lehrkräfte, die sich über längere Zeit gemeinsam in einem Zimmer aufhalten, sind einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Nicht immer kann der Luftaustausch ausreichend über Fensterlüftung erfolgen, da ein adäquater Luftaustausch nur bei ausreichender Temperaturdifferenz oder Wind gegeben ist. Es braucht also zusätzlich den Einsatz von technischen Geräten.“

Dieser Paradigmenwechsel im Rathaus ist hoch erfreulich, noch vor den Sommerferien soll der Zeitplan stehen. Die Antragsteller wollen in diesem Pilotprojekt „die Überprüfung geeigneter Geräte zur nachhaltigen Verbesserung der Innenraumlufthygiene für den Infektionsschutz der Münchner Schülerinnen und Schüler“ vornehmen. Wichtig ist dabei, dass sie den „Einsatz in der Schulpraxis etwa hinsichtlich Lautstärke, Wartungsaufwand, Unfallgefahr, zeitlicher Aufwand usw.“ im Blick haben.

Nur: Da die Technik seit Jahrzehnten in Büros, Geschäften etc. eingesetzt wird, ist längst bekannt, welche Geräte sich aufgrund ihrer technischen Eigenschaften für Klassenzimmer und Gruppenräume eignen. Das sieht auch die Bundesregierung so. Ein spezielles Münchner Pilotprojekt, von dem voraussichtlich nur wenige Einrichtungen profitieren werden, ist somit überflüssig und verzögert nur die flächendeckende Nachrüstung aller Schulen und Kitas, die, wie Stadtschulrat Kraus treffend bemerkte, ohnehin viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

Perspektiven

Natürlich bedeutet ein Eigenanteil von 20% für die Stadt unter den aktuellen Förderbedingungen angesichts der großen Zahl an Kitas und Grundschulen in München immer noch enorm viel Geld. Ich kann verstehen, wenn die Verantwortlichen im Rathaus daher noch zögern, das Bundesprogramm im großen Stil in Anspruch zu nehmen.

Allerdings wird ein Spiel auf Zeit nichts bringen: Am Ende wird es für die Stadt erheblich teurer, weil bis dahin bei steigenden Heizkosten weiterhin viel Energie aus dem Fenster gelüftet wird, die Preise für Lüftungsanlagen nachfragebedingt voraussichtlich deutlich steigen werden und es fraglich ist, ob der Bund künftig weitere Mittel zur Verfügung stellt.

Aktuell macht sich der BLLV bei der Staatsregierung dafür stark, dass der Freistaat im Rahmen eines neuen „Förderprogramms Lüften“ zusätzliche Zuschüsse gewährt und wie beim vorherigen Programm Maßnahmen auch im Nachhinein fördert. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass nur Anlagen mit hoch effizienten Wärmetauschern verbaut und längerfristig auch alle Schulen der Sekundarstufe einbezogen werden.

Angesichts der Dimensionen ist es realistisch zunächst Prioritäten zu setzen und die Nachrüstung erst schrittweise flächendeckend umzusetzen. Anstelle eines zögerlichen Pilotprojekts sollte die Stadt einen entschlossenen Einstieg in Form eines Stufenprogramms auf den Weg bringen. Auf jeden Fall sollten nun alle Schulen mit ihren Elternbeiräten umgehend bei der Stadt vorstellig werden, um ihr Interesse an dem Pilotprojekt anzumelden.

Martin Göb-Fuchsberger