SFZ, esE und MSD - Förderschulen in München und Oberbayern: ein Überblick über eine spannende Schulart

SFZ, esE und MSD - was sich anhört wie die ersten Zeilen eines Liedes einer bekannten deutschen Rap-Formation, sind nur drei der unzähligen förderschulspezifischen Abkürzungen, die so manche Lehrkraft an Grund- oder Mittelschule hin und wieder vor ein Rätsel stellen. Und das ist auch kein Wunder: Wir haben es im Förderschulwesen mit einer ganz speziellen Schulart zu tun, die für viele Kolleginnen und Kollegen zwar existent, allerdings im eigenen Arbeitsumfeld schwer zu durchschauen ist.

,,Du kommst von der Sonderschule, oder? Wir haben auch so einen Förderlehrer wie dich" - so oder so ähnlich klangen Fragen oder Bemerkungen von geschätzten Kolleginnen oder Kollegen aus anderen Schularten, die mir im MSD begegneten. Dass die Sonderschule schon lange als Förderschule bezeichnet wird und ich nicht Förderlehrer, sondern Förderschullehrer (Sonderpädagoge) bin, konnte ich meist relativ schnell klarstellen. Dennoch erkannte ich immer wieder Fragezeichen über den Köpfen meiner Grund- und Mittelschulkollegen hinsichtlich der begrifflichen Labyrinthe meines Berufsstandes. Gerade deswegen lohnt sich hier ein grober Überblick über unsere hochinteressante Schulart.

Wenn es auch für manche Förderbedarfe der Sinnesschädigungen oder Körperbehinderungen schon sehr lange „Sonderklassen“ bzw. eigene Schulen gab (so feierte z. B. die Gehörlosenbildung in Bayern bereits 2004 ihr 200-jähriges Bestehen), entstanden erst in den 1960er Jahren vereinzelt in Oberbayern die ersten Sonderschulklassen (für lern- und sprachbehinderte Kinder) und ab da entwickelte sich die Förderschullandschaft so, wie wir sie heute vorfinden. Von Hilfsschule über Sonderschule, Sondervolksschule zu den heutigen Förderschulen und sonderpädagogischen Förderzentren veränderte sich im Laufe der Jahre der Begriff für eine Schulart, die für viele immer noch schwer durchschaubar ist.

Dabei sind wir Sonderpädagoginnen und -pädagogen beileibe keine Exoten. Grundsätzlich ist zu sagen, dass es in jedem Landkreis mindestens eine Förderschule/ein Förderzentrum gibt, meisten auch mehrere mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Im Heimatlandkreis des Autors Weilheim-Schongau sind es deren fünf. Oberbayernweit arbeiten an den 126 Förderschulen mehr als 4000 Beschäftigte, nicht ganz ein Drittel davon in München. Über die Hälfte aller Beschäftigter können einen abgeschlossenen Studiengang der Sonderpädagogik an den bayerischen Studienorten Würzburg und München vorweisen, mittlerweile gibt es ein drittes Studienangebot für manche Förderschwerpunkte an der Universität in Regensburg. Neben diesen Studienrätinnen und -räten an Förderschulen (StR/in FÖS) sind - wie in Grund- oder Mittelschule ebenso -  Fachlehrkräfte, Förderlehrkräfte oder Lehrkräfte aus anderen Lehrämtern (mit oder ohne Zweit- bzw. Zusatzqualifikation) tätig. Hinzu kommen pflegerisches Fachpersonal, heilpädagogische Förderlehrkräfte (HFL) und Unterrichtshilfen (HpU). Des Weiteren wird Vernetzung großgeschrieben, indem an den Förderschulen Sozialpädagoginnen und -pädagogen, Erzieherpraktikanten, lndividualkräfte und weiteres Fachpersonal verzahnt mit der Schule zusammenarbeiten.

Der Großteil der Förderschulen sind sonderpädagogische Förderzentren (SFZ), die sich um Kinder kümmern, die Förderbedarfe in den Förderschwerpunkten Lernen (L), Sprache (S) und emotional-soziale Entwicklung (esE) aufweisen. Des Weiteren gibt es in München und Oberbayern spezielle Schulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung (gE), körperlich–motorische Entwicklung (kmE), emotionale-soziale Entwicklung (esE), Sehen, Hören (H) sowie auch weitere Bildungsangebote wie Real- und Fachoberschulen für Kinder mit den unterschiedlichen Förderbedarfen. Zu guter Letzt komplettieren die, an Kinder- und Jugend-Kliniken angegliederten „Schulen für Kranke“ sowie  Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung (bzw. BBW) das Gesamtbild.

Was macht diese Schulart so besonders? Einerseits sind es sicherlich die speziell auf die Förderbedürfnisse der Förderschüler abgestimmten Klassenstärken von je nach Förderschwerpunkt durchschnittlich 6-14 Köpfen pro Klasse. Andererseits die fachspezifische Ausbildung der Lehrkräfte, sonderpädagogische Unterrichtsmethodik sowie individuelle Förderpläne und ganzheitliche Vernetzung für jedes einzelne Kind. Zudem sind unsere Lehrkräfte oft nicht nur im eigenen Schulgebäude, sondern auch in inklusiven Settings sowie im Mobilen Sonderpädagogischen Dienst (MSD) an vielen anderen Schularten tätig. Hier spielen besonders die Beratung von Eltern und Lehrkräften sowie das Einbringen von sonderpädagogischem Fachwissen in die allgemeinen Schulen eine gewichtige Rolle. Die ganzheitliche Sicht auf das Kind, mit seinen Stärken und Schwächen in den Systemen Schule und Familie und die damit verbundene intensive und enge Zusammenarbeit mit Eltern, Jugendhilfe, Ärzten, Fachdiensten und weiteren Einrichtungen hat dabei einen sehr hohen Stellenwert. Dies erfordert neben der Arbeit im Unterricht ein deutliches Maß an Zeit und Fachkompetenz. Gerade diese hohe Fachlichkeit ist aber wiederum ein unverzichtbarer Baustein der Inklusion.

lm Gegensatz zu den Grund- und Mittelschulen sind viele Förderschulen aber häufig von dem Erwartungsdruck der Eltern, wie er stellenweise als äußerst belastend empfunden wird, befreit. Bei uns wird eher akzeptiert, dass die Kinder gemäß ihren Fähigkeiten lernen und individuell gefördert werden, sie müssen also nicht zielgerichtet auf einen Übertritt ins Gymnasium oder einen Abschluss der mittleren Reife vorbereitet werden. Trotz allem sind es klare Ziele unserer Schulart, Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der allgemeinen Schule zu inkludieren, Kindern, die Entwicklungsrückstände aufgeholt haben, einen Schulwechsel zu ermöglichen oder sie zu einem erfolgreichen Abschluss im eigenen Haus hinzuführen.

Da die Schulamtsebene im Bereich der Förderschulen schon seit vielen Jahren nicht mehr existiert, sind alle Einrichtungen direkt dem Sachgebiet 41 an der Regierung von Oberbayern unterstellt. Deswegen gibt es auch „nur“ einen gemeinsamen Personalrat für Förderschulen und Schulen für Kranke in München und Oberbayern. Viele Verwaltungs- und Beurteilungsaufgaben der früheren Schulräte gingen wegen des Wegfalls der Schulamtsebene zusätzlich auf die Schulleitungen über, deren Aufgabenbereiche sich zunehmend ausweiten und dadurch als ständig wachsende Belastung empfunden werden. Auch ein evidenter Mangel an sonderpädagogisch qualifiziertem Personal sowie all die anderen Probleme, mit der zunehmend jede Schulart zu kämpfen hat, stellen das Förderschulwesen mit Blick auf die Zukunft vor große Probleme.

Alles in allem also eine spannende und sehr differenzierte Schulart, die eine riesige Spannweite an beruflichen Anforderungen und unterschiedlicher Fachlichkeit verlangt. Dies macht auch die Arbeit im Personalrat so besonders abwechslungsreich und anspruchsvoll.

Andreas Mroß (FG Förderschulen im BLLV Oberbayern), Ulli Girardet (FG Förderschulen im MLLV)