Herr Abgeordneter Pschierer? Eine Entschuldigung wäre langsam angebracht!

Sehr geehrter Herr Landtagsabgeordneter Franz Pschierer,

eine rhetorische Floskel lautet: Man solle den vergifteten Apfel, der einem gereicht wird, nicht essen!

Diesen vergifteten Apfel haben Sie den Lehrerinnen und Lehrer des Freistaates mit Ihrem Facebookpost gereicht. Ist dieser Kommentar Ihrerseits eine Erwähnung wert? Sollen wir uns auf Ihr Niveau herunter begeben und diesen kommentieren und damit der Sache eventuell noch mehr Bedeutung zumessen? Ich finde schon!

Sie schrieben, dass wir [in Bayern – Anmerkung des Verfassers] zwar die teuersten, aber nicht immer die besten und fleißigsten Lehrer haben.[1] Dies war Ihre politische Antwort auf die Forderung seitens des BLLV, dass allen Lehrkräften ein Impfangebot gemacht werden müsse, bevor die Schule nach den Osterferien wieder beginnt.

Nehmen wir mal an, Sie könnten in die Zukunft blicken und hätten die vielfältigen Reaktionen auf Ihren Post vorhersehen können. Würden Sie diese Aussage immer noch posten? Sicher, in der Politik mag es vielleicht dazugehören, dass man auf sich als Abgeordneter, wenn man kein Regierungsamt innehat, irgendwie aufmerksam macht. Zur Not mit Provokation!

Ihre Worte waren allerdings keine Provokation, die zu einem Diskurs einlud.

Sie waren eine Beleidigung für alle Lehrkräfte,

  • die seit einem Jahr ihr Bestes an den Schulstandorten geben.
  • die seit einem Jahr im Schnitt mehr als ca. 500 € aus privater Tasche finanzierten, um den Distanzunterricht aufrecht zu erhalten.[2]
  • die seit einem Jahr versuchen, trotz harter und oft nicht nachvollziehbarer Widerstände (fehlende Endgeräte, fehlende Dienstgeräte, fehlendes Equipment in den Schulen) Bildung – trotz Corona – den Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen.
  • die seit einem Jahr eine deutliche Mehrbelastung in ihrem Beruf spüren, weil mitunter Arbeit und Freizeit miteinander immer mehr ineinander verschmelzen.

Ist es nicht das Recht oder die Pflicht der Lehrkräfte, aktiv für den eigenen Gesundheitsschutz einzutreten? Zumal dieser eigentlich durch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gewährt werden muss! Wie kann die Politik und damit auch indirekt Sie beschließen, dass es oberste Priorität hat, die Schulen und Kitas offen zu lassen, aber im Gegenzug nicht all diejenigen adäquat schützt, die für das Offenlassen dieser Institutionen notwendig sind. Wir stehen absolut hinter dieser Prämisse und wollen ebenfalls offene Schulen. Doch nicht zu jedem Preis! Ist das nicht nachvollziehbar?

Wie viel Gutes haben Sie in der Zeit der Coronapandemie für die Gesellschaft getan? Mussten Sie Ihren Mund-Nasen-Schutz selber kaufen, damit Sie an den Sitzungen des Landestages teilnehmen konnten? Mussten Sie sich selber Dienstgeräte anschaffen, um mit Ihren politischen Kollegen über Videocalls in Kontakt bleiben zu können? Die Frage, ob es Ihnen, der ein monatliches, gut honoriertes Abgeordnetensalär bezieht, überhaupt zusteht, Lehrkräften zu unterstellen, dass sie zu viel verdienen, möchte ich aus Höflichkeit Ihnen gegenüber unbeantwortet im Raum stehen lassen.

Lieber Herr Pschierer. Am gleichen Tag distanzierte sich bereits Staatsminister Piazolo von Ihren Aussagen. Einige Tage später sogar der Allgäu Schwäbische Musikbund (ASM), dessen Präsident Sie sind. Ebenfalls kam mir nicht zu Ohren, dass Sie innerhalb Ihrer eigenen Fraktion für diese Aussage gelobt und gewürdigt wurden. Woran mag das wohl liegen? Vielleicht daran, dass Sie sich mehr als nur im Ton vergriffen haben. Vielleicht daran, dass Sie, gleichwohl man schon in der Schule lernt, dass man keine pauschalen Aussagen tätigt, alle Lehrerinnen und Lehrer des Freistaates auf eine Stufe stellten. Vielleicht daran, dass Ihre Aussage in dieser Debatte nicht nur kontraproduktiv war, sondern auch vollkommen unangebracht. Meine Eltern haben mir immer versucht, folgende Weisheiten mit auf den Lebensweg zu geben:

  • rede nur, wenn du eine Ahnung von der Materie hast
  • denke erst und rede dann

Herr Pschierer. Sicherlich ist es Ihnen mittlerweile auch aufgefallen, dass Ihre Worte uns in dieser Sache nicht weitergebracht haben. Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, öffentlich dazu Stellung zu beziehen und sich bei den Lehrkräften, die einen überragenden Job – gerade in dieser Zeit – erfüllen, zu entschuldigen. Ich, und mit Sicherheit der Großteil meiner Kolleginnen und Kollegen, würde diese auf jeden Fall annehmen.

Es grüßt Sie herzlich

Christian Gingele

 

BU

Christian Gingele

Kommunikationskoordinator im MLLV

 

[1]https://www.br.de/nachrichten/bayern/nicht-immer-die-besten-pschierer-attackiert-bayerns-lehrer,SSkEZZL.

[2]Vgl. hierzu die Mitgliederumfrage des MLLV vom Januar 2021.