Schuleinschreibung ohne Untersuchung

Fallen Schulanfänger diesmal durchs Raster?

Bayernweit wird aktuell das reformierte Konzept der Schuleingangsuntersuchung (rSEU) eingeführt. Damit geht einher, dass nicht mehr wie bisher die Vorschulkinder, sondern bereits Vierjährige zur Untersuchung ins Gesundheitsreferat eingeladen werden. Ziel ist es dabei, früher und detaillierter Hinweise auf Förder- und Unterstützungsbedarfe zu bekommen und noch während der Kindergartenzeit Hilfen anzubieten. (MLZ berichtete im Herbst 2020) 

Durch diese an sich sehr begrüßenswerte Verschiebung gibt es einmalig das Problem, dass zwei Jahrgängegleichzeitig zur Untersuchung anstehen. Ausgerechnet jetzt, wo die Gesundheitsbehörden schon mit der Bewältigung der Corona-Pandemie völlig ausgelastet sind. 

Schulbürgermeisterin Verena Dietl schrieb uns Ende 2020: „Die Bedeutung eines ‚reibungslosen Ablaufs der Schuleingangsuntersuchungen‘ ist allen Verantwortlichen bewusst und ebenso wichtig wie Ihnen. Gerade in Zeiten der Pandemie ist die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung der Vorschulkinder ein bedeutsames Instrument der Gesundheitsvorsorge und des präventiven Kinderschutzes. Allerdings hängt ein reibungsloser Ablauf maßgeblich von dem zukünftigen Verlauf der Corona-Pandemie und der Höhe der Inzidenzzahlen ab, neben anderen Faktoren wie räumlichen und personellen Ressourcen. [...] Jedes untersuchte Vorschulkind ist uns wichtig!“

In den letzten Wochen wurden Kinder, die erst 2022/23 in die Schule kommen, bereits fahrplanmäßig zur rSEU „eingeladen“. Eltern erhalten per Post umfangreiche Informationen dazu, die Telefonhotline glüht, Termine werden vereinbart.

Andererseits haben bis zum Redaktionsschluss Ende Februar offenbar noch immer nicht alle Eltern, deren Kinder im kommenden Schuljahr eingeschult werden, Post vom Gesundheitsreferat bekommen. Untersuchungen vor Ort sind aus Kapazitätsgründen nur für Härtefälle dieses Jahrgangs vorgesehen, Ergebnisse werden sicher nur selten zur Schuleinschreibung bzw. Klassenbildung vorliegen. Fallen somit viele Kinder trotz allen guten Willens durchs Raster?

Ich habe angesichts der gegenwärtigen Ausnahmesituation vollstes Verständnis dafür, dass das Gesundheitsreferat überlastet ist und erwarte wie auch von allen anderen Akteuren keine Wunder. Allerdings müssen sich die Verantwortlichen bei Stadt und Freistaat schon die Frage gefallen lassen, warum die Einführung der rSEU nicht verschoben wurde. Auch bei besonders optimistischen Erwartungen in Bezug auf den Verlauf der Corona-Pandemie war schon im Sommer 2020 absehbar, dass ein doppelter Untersuchungsjahrgang bis auf Weiteres nicht bewältigt werden kann.

So bleibt uns an den Grundschulen nichts anderes übrig, als bei der Einschreibung Augen und Ohren besonders offen zu halten, um Einblick in die gelben Hefte mit der Dokumentation der kinderärztlichen „U“-Untersuchungen zu bitten und noch nachdrücklicher als sonst auf der Erlaubnis zu bestehen uns mit dem Kindergarten auszutauschen. 

Dies ist umso wichtiger, da es absehbar ist, dass diesmal der Anteil von Schulanfängern mit erheblichen Lern- und Entwicklungsrückständen sowie psychischen Problemen besonders groß sein wird: Der Lockdown, ausgefallene Vorkurse Deutsch und einiges mehr wird deutliche Spuren hinterlassen.

Martin Göb-Fuchsberger