Digitalisierung Münchner Schulen im Eiltempo

Interview mit Martin Janke, Vorsitzender Geschäftsführer der LHM Services GmbH 

Homeschooling, Schüler-Leihgeräte, MS Teams, Lehrer-Dienstgeräte – noch vor einem Jahr war all das kein Thema in der Münchner Bildungspolitik, allenfalls Zukunftsmusik. Die Corona-Pandemie machte schnelle und bedarfsgerechte Lösungen in all diesen Bereichen dringend erforderlich – eine Herkulesaufgabe insbesondere auch für die LHM Services GmbH als zuständiger Agentur für digitale Infrastruktur und Support an allen Münchner Schulen. In diesem Interview erläutert der Vorsitzende Geschäftsführer Martin Janke Hintergründe der bisherigen Entwicklung und zeigt Perspektiven auf.  

MLZ: Die Pandemie hat im Bereich der Bildung einiges durcheinandergewirbelt. Digitalisierung stand plötzlich überall ganz oben auf der Agenda. Was hat das für die LHM-S bedeutet? 

Janke: Tatsächlich wirkt die Pandemie wie ein enormer Katalysator für die Digitalisierung im Bildungsbereich. Es freut uns sehr, dass das Thema nun deutlich mehr Beachtung im öffentlichen Diskurs gefunden hat. Gleichzeitig ist es natürlich eine riesige Herausforderung, dass die Prioritäten von heute auf morgen einmal nahezu auf den Kopf gestellt wurden.  

Die LHM-S hat sehr schnell auf die Ausnahmesituation reagiert. Wir haben MS Teams bereitgestellt und über 8.200 Leihgeräte für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler ausgeliefert (Es sind nach aktuellem Stand etwa nochmal so viele Geräte in Planung). Auch Tastaturen, Ladekoffer und SIM-Karten wurden ausgeliefert. Zudem haben wir Headsets und Webcams für Lehrkräfte besorgt, zahlreiche Schulungsmaterialien erarbeitet und einiges mehr. Dabei mussten wir uns genau wie die Lehrkräfte, Kinder und Eltern auf ständig neue Situationen einstellen: Von Distanzunterricht über Wechselunterricht, zurück zu Präsenzveranstaltungen und sämtlichen Mischformen zwischendrin hat uns alles beschäftigt und tut es noch. 

MLZ: Sie erwähnen die Bereitstellung von MS Teams. Wie zufrieden sind die Bildungseinrichtungen denn mit dem Tool? 

Janke: Uns erreicht sehr viel positives Feedback zu MS Teams. Das System läuft stabil und umfasst eine Vielzahl von Funktionen. Natürlich muss man vorwegschicken, dass die LHM-S MS Teams innerhalb von nur 14 Tagen nach den ersten Schulschließungen im März 2020 bereitgestellt hat. Ein ausführliches Vorprojekt war in der Kürze der Zeit nicht möglich. Manche Entscheidungen sind daher zu Gunsten der Schnelligkeit und zu Lasten der Usability gefallen. Deshalb gilt es hier permanent nachzujustieren, um den Anforderungen der Bildungseinrichtungen gerecht zu werden. Das bindet nach wie vor Ressourcen, bringt aber auch stetig Verbesserung mit sich. 

MLZ: Ein Thema, das gerade viele Lehrkräfte beschäftigt, ist Cybermobbing. Was kann die LHM-S im Rahmen der Bereitstellung von MS Teams dagegen tun? 

Janke: Dieses Thema beschäftigt uns natürlich auch. Mit Corona wandern nicht nur das Lernen und Lehren in den digitalen Raum, sondern auch Themen wie Streit, Mobbing, Störaktionen und andere Formen der Belästigung. Sie gehören zu einer zentralen Gefahr im Umgang mit Internet und neuen Medien.  

Diesen Themen kann sowohl durch technische wie durch pädagogische Maßnahmen entgegengewirkt werden. Die LHM-S unterstützt die Bildungseinrichtungen dahingehend, dass wir fortlaufend Konfigurationen in MS Teams prüfen und Anleitungen für Lehrkräfte erstellen, wie sie selbst technische Einstellungen vornehmen können. Zudem können wir in schweren Fällen bei der Nachverfolgung unterstützen, da es keine anonymisierten Accounts in der MS Teams Instanz der LHM-S gibt.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass durch technische Maßnahmen Cyber-Mobbing oder andere Formen der Belästigung weder gänzlich verhindert noch ursächlich bekämpft werden.  Damit Mobbing & Co. nach der Pandemie nicht einfach zurück in die analoge Welt und auf den Schulhof wandern, sollten vor allem pädagogische Maßnahmen im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.  

MLZ: Welcher Aufwand entsteht hinsichtlich der Leihgeräte für Schülerinnen und Schüler eigentlich bei den Schulen?

Janke: Auf den Leihgeräten sind die wichtigsten Apps vorinstalliert und die Geräte können durch die LHM-S zurückgesetzt bzw. gesperrt werden. Seitens der Schülerinnen und Schüler ist nur noch eine Ersteinrichtung (z. B. Einrichten einer PIN) nötig. Die Ausgabe an die Familien zu koordinieren und gegebenenfalls bei der Ersteinrichtung zu unterstützen, obliegt der Schule. 

Das hört sich erst einmal wenig an, ist aber natürlich nicht zu unterschätzen. Hier wird auch ein struktureller Mangel deutlich: Die IT-Ausstattung an den Bildungseinrichtungen wächst und wächst, die personelle Unterstützung und Qualifizierung hinkt jedoch hinterher. In München können die Bildungseinrichtungen auf die Unterstützung des IT-Service Desk und des Field Services der LHM-S zählen. Einen permanenten Vor-Ort-Support ersetzt das jedoch auch nicht. Hier sind dringend strukturelle Anpassungen von staatlicher Seite nötig. 

MLZ: Sie sprachen bereits an, dass die Auswirkungen der Pandemie die LHM-S auch jetzt noch beschäftigen. Wo liegt Ihr Fokus aktuell, knapp ein Jahr nach Beginn der Krise? 

Janke: Es wurde schnell deutlich, dass die Krise andauert und die genannten Sofortmaßnahmen nicht ausreichen würden. Gemeinsam mit dem RBS haben wir darauf reagiert und einen Beschluss auf den Weg gebracht, der es uns ermöglicht, die Planung für 2021 anzupassen und zentrale Bausteine aus dem Programm Zukunft vorzuziehen. Der Stadtrat hat hierfür im Dezember die Zustimmung erteilt und nun arbeiten wir mit allen Kräften an fünf Digitalen Unterstützungsmaßnahmen, die die Bildungseinrichtungen weiter unterstützen werden. Besonders zentral sind personenbezogene Endgeräte für Lehrkräfte sowie die Ausstattung mit W-LAN und Internet. 

MLZ: WLAN wird von den Schulen dringend gefordert. Was ist hier genau geplant? 

Janke: Im Rahmen des Programm Zukunft der LHM-S ist vorgesehen, die Münchner Bildungseinrichtungen flächendeckend mit dem „m-bildung WLAN“ auszuleuchten. Dabei müssen (neben vielen vorbereitenden Maßnahmen) alle Bildungseinrichtungen mit Access Points versorgt werden. Pro Bildungseinrichtung braucht es – jetzt mal grob geschätzt – bis zu 70-100 Stück, damit auch alle Räume versorgt sind. Nach derzeitigem Stand müssen zehntausende Access Points ausgebracht und installiert werden. Diese Zahl macht deutlich, dass das nicht von heute auf morgen passieren kann. 

Gleichzeitig ist uns natürlich bewusst, dass gerade durch die Pandemie-Lage die Not an den Bildungseinrichtungen groß ist. Daher haben wir nun durch den Stadtrats-Beschluss für 2021 eine Zwischenlösung erreichen können. Diese umfasst unter anderem 2.000 LTE-Router für eine netzunabhängige „Pop-Up WLAN“-Ausleuchtung (Internet-only). Somit können Schulen kurzfristig profitieren.

MLZ: Und die personenbezogenen Endgeräte, die Sie erwähnt haben? 

Janke: Wir planen 2021 bis zu 10.000 Lehrkräfte mit personenbezogenen mobilen Endgeräten auszustatten, die standortunabhängig auf das pädagogische Netz und damit auf die pädagogischen Dateien und Applikationen zugreifen können. Durch die integrierte Kamera- und Mikrofonfunktion werden zudem die funktionalen Voraussetzungen für den Distanzunterricht geschaffen. 

MLZ: Was wünschen Sie sich für die Zusammenarbeit mit den Münchner Schulen?

Janke: Zunächst einmal muss ich den Münchner Bildungseinrichtungen meinen Respekt zollen. Wir kriegen ja aus erster Hand mit, welchen Belastungen Lehrinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern seit Beginn der Pandemie ausgesetzt sind. Es wird von allen Seiten unermüdliches Engagement bewiesen. 

Wünschen würde ich mir, dass wir das große Ganze nicht aus den Augen verlieren. Die Schulen möchten aktuell – völlig verständlicherweise – schnelle Lösungen und haben vor allem ihre Bildungseinrichtung im Blick. 

Die Versäumnisse der letzten beiden Jahrzehnte können jedoch nicht alle von heute auf morgen eingeholt werden. Wenn wir 2021 beispielsweise Pop-Up-WLAN bereitstellen, bringt das erst einmal kurzfristig etwas Erleichterung für die Schulen. Gleichzeitig schluckt das Projekt viele Ressourcen, die wir dann nicht für die langfristige Lösung der Vollausleuchtung im Rahmen des Programms Zukunft einsetzen können. Hier gilt es immer abzuwägen und einen guten Mittelweg zu finden. Doch ich bin mir sicher, dass wir diesen Weg gemeinsam erfolgreich gehen werden.  

Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger in Zusammenarbeit mit Florian Schmidt und Christian Gingele. Eine ausführlichere Fassung mit weiteren Hintergründen können Sie auf unserer Website lesen.

Hier finden Sie Unterstützung durch LHM-Services 

Die Situation rund um Covid-19 hat Ihren Schulalltag massiv beeinflusst und damit auch ganz neue Anforderungen an Ihre IT-Ausstattung gestellt. Die LHM-S möchte Sie bestmöglich unterstützen, die aktuellen Herausforderungen zu meistern. Auf unserer „LHM-Services in Corona Zeiten“ Seite finden Sie die wichtigsten Informationen zu unseren Unterstützungsleistungen auf einen Blick. Die Inhalte auf unserer Seite werden fortlaufend aktualisiert.

https://teams.musin.de/LHM-Services_in_Corona-Zeiten.html 

Kommentar

Münchens Schulen brauchen noch mehr!

Ich beneide die LHM-S wahrlich nicht um ihre Aufgabe, möglichst vorgestern alle Versäumnisse aus Jahrzehnten aufzuholen und bei der Digitalisierung der Münchner Schulen allen Anforderungen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Auch wenn die Stadt in Eilbeschlüssen enorme Summen zur Verfügung stellt und Kapazitäten aufstockt, braucht alles seine Zeit. 

An vielen Stellen sind vorübergehend Kompromisse unausweichlich, die die verschiedenen Beteiligten mit viel gegenseitigem Verständnis mittragen müssen. Zugleich muss ich an einige Punkte erinnern, die uns an den Schulen unter den Nägeln brennen:

  • Immer noch fehlen in München Tausende Leihgeräte für Schülerinnen und Schüler, die noch gar nicht oder nur völlig unzureichend für den „Distanzunterricht“ ausgestattet sind. Ende Februar kündigte das RBS an, mit weiteren 8.782 Endgeräten den von den Schulen gemeldeten Bedarf in absehbarer Zeit zu decken. Zudem gibt es jetzt Zuschüsse für Drucker vom Jobcenter.
  • Immer noch müssen die Münchner Schulen selbst für die Ersteinrichtung der Leihgeräte sorgen, weil sie ihre Schüler bzw. deren Eltern damit nicht allein lassen können. Pro Gerät bedeutet dies einen Zeitaufwand von etwa 30 Minuten. Hinzu kommt die Abwicklung des Verleihs samt Beantwortung vieler Fragen und schließlich die Rückgabe. Wer hat all diese Zeit, bei der kommenden Tranche ganz konkret etwa 4400 Arbeitsstunden alleine für die Ersteinrichtung?
  • Immer noch kommt es häufig vor, dass man zu den Servicezeiten des IT Service Desks trotz zehnminütigen Aufenthalts in der Warteschleife niemanden erreicht und dass Anfragen per Mail nicht beantwortet werden.
  • Immer noch gibt es keine Handreichung für Lehrkräfte und Eltern, in der auf die bestehenden Probleme bzgl. Jugendschutz bei Leihgeräten und im derzeit verfügbaren M-WLAN hingewiesen wird.

Ich erwarte, dass all das sowohl von der Stadt München als auch vom Kultusministerium entschieden angegangen wird. Ich fordere die Verantwortlichen auf, bestehende Versorgungsprobleme auch öffentlich zu kommunizieren, damit insbesondere bei den Eltern keine völlig unrealistischen Erwartungen entstehen an das, was Schulen seit Ausbruch der Corona-Pandemie leisten können!

Martin Göb-Fuchsberger