Das „unverschämte Ultimatum“ der „faulen Säcke“
Im Kommentar „Das unverschämte Ultimatum der Lehrer“ von Anna Günther vom 23.03.2021 in der Süddeutschen Zeitung wird ganz deutlich, dass aus wenig Hintergrundwissen sehr schnell populistische Schuldzuweisungen werden. Der CSU-Abgeordnete Pschierer, ein ehemaliger Staatsminister, legt dann in den sozialen Medien noch schnell mit einem SPD-Altkanzler Zitat nach. Wenn man ohne Fachwissen und gute Recherche im Bildungsresort der SZ diesen Kommentar veröffentlicht, ist es nicht verwunderlich, wenn aus einer Journalistin eine politische Erfüllungsgehilfin wird!
Das Rezept der Politiker ist sehr einfach. Es werden Erwartungen in der breiten Masse geschürt, ohne vorher nur im Ansatz die Voraussetzungen für diese geschaffen zu haben. Diese Marktschreierei funktioniert dann so: „Das Geld ist da! Macht mal Digitalisierung!“ oder „Wir haben die Lehrpläne angepasst, der Unterrichtsstoff kann vermittelt werden wie immer, kein Problem!“
Am 3. Dezember 2020 hieß es: „Nächste Woche kommen die Schnelltests!“ Monatelang waren diese nicht in ausreichender Menge vor Ort in den Schulen zu sehen und sind es im April 2021 immer noch nicht. Und schließlich der Gesundheitsschutz. Das Mantra der Politik dazu: „Öffnet die Fenster, dann sind die Schulen sicher!“ Was für ein Drama! Die Politik kündigt weltmeisterlich an und dieser von Frau Günther verbreitete Kreisklassenjournalismus schiebt die Verantwortung der Umsetzung mir nichts dir nichts auf die Schulen.
Gut recherchierte Inhalte zu transportieren kostet auch JournalistInnen Zeit und Arbeit. Da ist es viel einfacher sich eines populistischen Duktus zu bedienen. Gleich nach der beruflichen Sicherheit und der guten Bezahlung werden die Lehrkräfte mit Paketboten und Kassierern verglichen, die weniger geschützt sind. Dabei ist längst erwiesen, dass im Klassenraum mit das höchste Ansteckungsrisiko besteht. Wenn man Frau Günthers unsinniger Argumentation folgen sollte, dann haben also Beamte, die ein sicheres Einkommen haben weniger Recht auf einen guten Gesundheitsschutz als andere? Das alles schreibt sie aus dem Homeoffice heraus,
als Angestellte eines Arbeitgebers, der auf den Gesundheitsschutz seiner MitarbeiterInnen großen Wert legt!
Dieser „einfach mal behaupten und einfach mal nachplappern Journalismus“ trägt auch Mitverantwortung dafür, dass sich die Aussage des Kultusministeriums, Kinder seien „keine Treiber der Pandemie“, zwischenzeitlich medial stark verbreitet hatte.
So wurden gefährliche Unwahrheiten schnell und unreflektiert medial verbreitet und hatten auch lange Bestand, weil die Forderungen von MLLV und BLLV von der breiten Öffentlichkeit lange nicht ernst genommen wurden. Wenn der Verband dann zurecht Gesundheitsschutz für seine Lehrerinnen und Lehrer nach einer langen Phase des Wartens und Mahnens einfordert, so wird das von Frau Günther als „unverschämtes Ultimatum“ dargestellt.
Im Stil von Frau Günther springt dann auch noch der CSU-Abgeordnete Franz Josef Pschierer auf den Zug, macht sich die alte Dampflokomotive Schröder zunutze und bezeichnet Lehrkräfte als „faule Säcke!“ Auch er bezeichnet die Forderung des BLLV als „unverschämt.“
Es wäre Frau Günther gut zu Gesicht gestanden einen Kommentar zu den schmierigen Maskendeals der Parteikollegen Nüsslein und Sauter zu schreiben, dann hätte Herr Pschierer die Chance gehabt auf einen Zug aufzuspringen, der Glaubwürdigkeit für ihn und seine Partei vermittelt hätte. So ätzt der Abgeordnete lieber über Lehrkräfte, die üppige Pensionen, 70 Ferientage und Chefarztbehandlung haben. Sauter und Nüsslein sind aus der CSU ausgetreten. Das ist wenigstens konsequent. Konsequent wäre es von Herrn Pschierer auch, wenn er über sein kleines Abgeordnetengehalt und sein schmales Pensionssalär nachdenken würde, bevor er die immensen Bezüge der KollegInnen, die in dieser Pandemie an den Schulen tagtäglich vor Ort arbeiten, überhaupt erwähnt. Sachpolitik und Ansprache funktionieren auf Augenhöhe und nicht durch polemische und spalterische Pauschalrundumschläge. Positiv ist jedoch, dass durch die Äußerungen von Herrn Pschierer sehr viele KollegInnen nun genau wissen, wo sie ihr Kreuz bei den nächsten Wahlen nicht machen werden.
Frau Günther und Herr Pschierer fordern den geregelten Schulbetrieb, genauso wie alle Eltern, Lehrkräfte und die Verbände, lehnen aber den Wunsch nach einem schnelleren Impfschutz als „unverschämt“ ab. Richtig ist doch aber, dass Kolleginnen und Kollegen mit einem Impfangebot ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum normalen Unterricht sind! Hier haben beide wohl Schaden mit Nutzen verwechselt! Oder glauben sie wirklich das Gesundheitsschutzmärchen von den offenen Fenstern und genügend Abstand?
Leider bringen diese unlogischen und populistischen Aussagen von Frau Günther und Herrn Pschierer, die nur Neid und Missgunst schüren, niemanden in dieser Krise weiter!
Obwohl laut Frau Günther der Lehrberuf hervorragende Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung bietet, und Herr Pschierer öffentlich wirksam noch die 70 Ferientage und Chefarztbehandlung als Werbung oben drauf legt, fehlen tausende von Lehrkräften. Deshalb, liebe Frau Günther, lieber Herr Pschierer, bewerben Sie sich doch als Teamlehrkräfte. Verlassen Sie Ihr Homeoffice und kommen Sie ins Klassenzimmer. Helfen Sie mit bei der Durchführung der Selbsttests für Schülerinnen und Schüler. Laut Kultusministerium braucht es dazu keine besondere Schutzausrüstung. Wir laden Sie bei offenen Fenstern und viel frischer Luft herzlich dazu ein!
Martin Schmid
1. Vorsitzender