„Im Schulbereich wird nicht gespart!“

Antrittsinterview des MLLV mit der zweiten Bürgermeisterin der Stadt München, Katrin Habenschaden (Bündnis 90/Die Grünen)

Im August kam es im Rathaus am Marienplatz zu einem Treffen der zweiten Bürgermeisterin der Stadt München, Katrin Habenschaden, der Vorsitzenden des MLLV, Waltraud Lučić, und des Pressereferenten des MLLV, Andre Grenzebach. Der MLLV nutzte die Chance eines Antrittsinterviews, um die politischen Vorstellungen der Bürgermeisterin für die kommenden sechs Jahre zu umreißen und an gegebener Stelle seine Interessen kundzutun und eigene Ideen in die Stadtpolitik einzubringen.

MLLV: „In welcher Dimension wird die Schulbauoffensive fortgeführt und was sind die geplanten Bauprojekte?“

Habenschaden: „Die Landeshauptstadt München muss aufgrund der Corona-Auswirkungen sparen. Wir haben vereinbart, dass der Bildungsbereich davon allerdings weitgehend ausgeklammert bleibt. Die Planungen für neue Schulen werden  deshalb fortgeführt. Derzeit werden bereits unzählige Grund- und weiterführende Schulen gebaut, zudem Horte, Kitas und Sporthallen. Parallel läuft auch ein millionenschweres Sanierungsprogramm, um die bestehenden Schulgebäude in einen Zustand zu versetzen, der Lernen und Bildung auf hohem Niveau gewährleistet. Grundlage für unser Handeln als Stadt ist aber immer ein genehmigungsfähiger Haushalt. Es kann daher sein, dass manche Bauprojekte zeitlich etwas nach hinten rutschen müssen.“

MLLV: „Am Lärmschutz der Schulen wird hoffentlich nicht gespart? Gerade in diesem Bereich gilt es, die Lehrergesundheit zu schützen.“

Habenschaden: „Wir versuchen vor allem im energiepolitischen Bereich nicht zu sparen. Lärmschutz ist ein Teil davon. Investitionen in die Gesundheit der Menschen haben Priorität. Noch sind die mittel- und langfristigen finanziellen Einbußen durch die Corona-Pandemie für die Stadt nicht absehbar. Wir müssen deshalb auf Sicht fahren.“

MLLV: „Wo erscheint Ihnen eine engere Verbindung zwischen Wirtschaft und Schule möglich?“

Habenschaden: „Ich bin sehr dafür, die Zusammenarbeit der Schulen mit den Unternehmen zu intensivieren. München ist ein Hightech-Standort mit vielen innovativen Unternehmen. Beispielsweise für Berufsschulen ist die Zusammenarbeit wichtig, damit die Schülerinnen und Schüler, die eine Ausbildung in einem Maschinenbauberuf absolvieren, an den Maschinen lernen, an denen sie später unter Umständen dann weiterarbeiten werden. Bereits existierende Kooperationen mit MAN und BMW sind da ein gutes Beispiel. Wichtig ist es, eine Nähe zum Technologie-Entwicklungsprozess zu gewährleisten. In diesem Bereich sind Partnerschaften mit Großunternehmen sinnvoll. Außerdem sollte man den Bereich der Start-up-Unternehmen in Zukunft stärker berücksichtigen. Hierbei wäre im jeweiligen Stadtteil der Quartiersansatz sinnvoll, sodass sich verschiedene Professionen an einen Tisch setzen und miteinander ins Gespräch kommen.“

MLLV: „Wenn die Schulen wieder geschlossen werden müssten: Welche Ideen haben Sie, um die Familien darin zu unterstützen, Familie und Beruf zu vereinbaren (z. B. im Falle Alleinerziehender)?“

Habenschaden: „Die Schulen brauchen dringend einen Schub im Bereich der Digitalisierung. Das ist durch Corona noch stärker in den Fokus gerückt. Da denke ich auch an ausreichend digitale Endgeräte, damit Lernen unabhängig vom Elternhaus auch in einem solchen Ausnahmezustand möglich bleibt. Das Stichwort lautet hier Bildungsgerechtigkeit, ein zentrales Thema für unsere Stadt. Auf jeden Fall darf die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs in einer vergleichbaren Lage nicht nur am Engagement der Schulleiterinnen und Schulleiter hängen bleiben, sondern muss bayernweit nach gleichen Standards geregelt werden.“

MLLV: „Wie kann man Kindergärten und Schulen mit ins BNE-Boot einbeziehen? Welche Ansätze gibt es?“

Habenschaden: „BNE (Bildung für nachhaltige Entwicklung) ist ein wichtiges Thema und die Grundlage für unser gesamtes Handeln! Das Verständnis der internationalen, sozialen und globalen Zusammenhänge ist dabei besonders wichtig. Es geht auch um die Frage: Wie sind die Auswirkungen unseres persönlichen Verhaltens? Geboten ist es hier, das große Ganze im Blickfeld zu behalten und alle Felder zu bearbeiten. Maßnahmen hinsichtlich der Implementierung von BNE in der Gesellschaft müssen und können durchaus Spaß machen und sollten alle Generationen mit einschließen. Dies kann an Schulen im Sinne von gut und interessant aufbereiteten Projekttagen geschehen. Es sollte sich dabei um eine möglichst griffige Thematik handeln, die spannend in der Wissensvermittlung ist und viele Aha-Effekte erzeugt. Das, was Spaß macht, wird erst gelebtes Wissen. Das ist der Knackpunkt. Nur dann kann das Konzept ganzheitlich wirken.“

MLLV: „Sie haben sich intensiv mit dem Bereich Bildung beschäftigt und vor allem für Benachteiligte engagiert. Wäre es nicht interessant gewesen, die Aufgaben der Schulbürgermeisterin zu übernehmen?“

Habenschaden: „Ja, das stimmt. Dieser Bereich steht mir auch persönlich nahe, da ich die Tochter eines Lehrers und einer Erzieherin bin. Als Betriebswirtin, Bankkauffrau und Grüne fühle ich mich aber auch in den Bereichen der Wirtschafts- und Umweltpolitik zuhause. Außerdem sind diese Ressorts stets eng mit der Bildung verzahnt. Insofern bleibe ich auch in Zukunft immer mit Bildung in Berührung. Es gibt tatsächlich auch Schnittstellen zwischen der Schulbürgermeisterin Verena Dietl und mir. Wir arbeiten sehr konstruktiv zusammen.“

MLLV: „Bezirksausschüsse und Stadträte fordern: Öffnung der Schulpausenhöfe am Wochenende! Und auch im Koalitionsvertrag der neuen Stadtregierung steht: „Wir gewährleisten Sicherheit und öffentlichen Raum für alle“. In einer Großstadt werden Spielplätze dringend benötigt. Wir würden Sie bitten einen Perspektivwechsel vorzunehmen und die Verantwortungen, die daraus entstehen, von allen Seiten zu beleuchten (Schulleitung, Lehrer, Hausmeister, Kind, Eltern). Was leiten Sie daraus für die Umsetzung dieses Vorhabens ab?“

Habenschaden: „Die Stadt wird bei steigender Bevölkerungs- und Kinderzahl immer enger und ist gleichzeitig in ihrer Fläche begrenzt. Es wird immer schwieriger, Freiräume für die Kinder und Jugendlichen zu finden. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, die Freiflächen der Schulen auch für die Öffentlichkeit nutzbar zu machen. Keine Frage, dies ist organisatorisch aufwändig und geht auch nur im Dialog mit den Schulen. Aber am grundsätzlichen Ziel halten wir fest, denn der Bedarf an öffentlichem Raum hat sich mit der Corona-Krise verstärkt. Ich denke da vor allem an die vielen Familien, die auf konsum- und kommerzfreie Räume angewiesen sind.“

MLLV: „Sehen Sie eine Möglichkeit zur Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer, die durch die Pandemie entstandenen Sprachdefizite der Kinder mit Migrations- und/oder Fluchthintergrund zu mindern? Vielleicht findet sich ein Weg der Vernetzung und Ideenwerkstatt?“

Habenschaden: „Wir versuchen bereits über die Münchner Förderformel und die Bedarfsorientierte Budgetierung an Schulen einen Teil des Problems auszugleichen. Z. B. werden Kindertageseinrichtungen in Vierteln mit vermehrten Herausforderungen durch die Stadt München finanziell besonders gefördert und einige Schulen erhalten entsprechend ihrer Herausforderungen erhöhte Zuschüsse von der Stadt. Integration ist eine Herausforderung, aber auch eine große Chance für unsere Gesellschaft. Dafür braucht es aber auch den politischen Willen. Dass der Freistaat den Unterricht von Kindern mit Migrations- oder Fluchthintergrund in den sogenannten Deutschklassen auf ein Jahr reduziert hat, sehe ich sehr kritisch. Um eine erfolgreiche Integrationspolitik zu gewährleisten, ist ein hohes Maß an Förderung nötig.“

MLLV: „Bündnis 90/Die Grünen dürfen bei der nächsten Wahl zur Stadtschulrätin den Vorschlag geben. Möchten und können Sie darüber sprechen?“

Habenschaden: „Soweit ist es noch nicht. Die Wahl zur Stadtschulrätin findet erst im Jahr 2022 statt. Zuvor gilt es andere wichtige Aufgaben zu bewältigen und Stellen zu besetzen, z. B. im Mobilitätsreferat und im Referat für Umwelt- und Klimaschutz, das wir nächstes Jahr gründen.“

Der MLLV bedankt sich bei Bürgermeisterin Habenschaden für die Möglichkeit des Interviews und wünscht ihr alles Gute und eine glückliche Hand für die kommenden Aufgaben!

Infos zu Katrin Habenschaden:

  • 1977 in Nürnberg geboren

  • Diplombetriebswirtin und Bankkauffrau

  • Am 4. Mai 2020 vom Stadtrat zur zweiten Bürgermeisterin gewählt

  • Mitglied u. a. im Ausschuss für Arbeit und Wirtschaft, im Bauausschuss und im Umweltausschuss

Waltraud Lučić, Vorsitzende

Andre Grenzebach, Pressereferent