Mut, Visionen und Zuversicht

Der neue Münchner Koalitionsvertrag

Die neue rot-volt-rosa-grüne Rathauskoalition hat in ihrer umfangreichen Koalitionsvereinbarung ein äußerst ambitioniertes Programm für die Stadtpolitik der nächsten sechs Jahre entwickelt. Klare Schwerpunkte liegen auf sozialem Frieden, Klimaschutz und digitaler Innovation. Schule und Bildung sind somit in mehrfacher Hinsicht im Fokus der Rathausmehrheit.

Gemeinsam für Umwelt- und Klimaschutz 

Die Koalitionäre erklären: „Wir erkennen die Eindämmung des Klimawandels als Notwendigkeit höchster Priorität an und tragen dieser Aufgabe bei Beschlüssen verstärkt Rechnung, indem wir – neben sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kriterien – die klimatischen Auswirkungen von politischen Entscheidungen besonders berücksichtigen.“ Sie betonen besonders: „Ökologische Verantwortung muss dabei immer mit sozialer Gerechtigkeit einhergehen.“  

So haben die Verantwortlichen die enorme Bedeutung des öffentlichen Bausektors für den Klimaschutz erkannt. Da insbesondere die Herstellung von Beton viel CO2 verursacht, wird im Sinne der „Dekarbonisierung“ gerade auch beim Schulbauprogramm eine Wende vollzogen. Ökologisch verträgliche und wiederverwendbare Baustoffe sowie die Weiterentwicklung von Bestandsgebäuden schonen zudem wertvolle Ressourcen. Diese und weitere Maßnahmen werden mit einem jährlichen „Klimaschutzbudget“ von 100 Millionen Euro hinterlegt.

Und: „Im Einflussbereich der Landeshauptstadt München werden wir bis 2025 komplett einwegplastikfrei: Eine nachhaltige öffentliche Beschaffung [... ist] hier denkbar. [...] München wird zudem der Städtekoalition Zero Waste Europe beitreten.“

Außerdem will die Koalition „Schulhofflächen mit mehr Grün neu gestalten“ und „Pausenhöfe naturnah gestalten“. Im Gegenzug sollen die „Schulflächen noch besser der Allgemeinheit zugänglich“ gemacht werden. 

Im Rahmen der „Verkehrswende“ bleibt es Ziel, „dass 80% der Wege [...] durch den Umweltverbund und Fahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben zurückgelegt werden.“ Dazu wird ein „Stufenplan“ mit vielfältigen unterstützenden Maßnahmen erarbeitet. 

Die Koalition zeigt sich grundsätzlich offen für Mitsprache: „Die Partizipation der (organisierten) Zivilgesellschaft ist für das Erreichen der Klimaschutzziele elementar. Dafür werden wir einen umfassenden Beteiligungsprozess starten [...] und Anregungen und Vorschläge für die politische Beschlussfassung aufnehmen. [...] Wir werden zudem ein Konzept für ein städtisches Gremium, das mit zivilgesellschaftlichen Expert*innen besetzt ist und den Stadtrat berät, erarbeiten.“    

Bildung als Schlüssel für die Zukunft

Inklusion wird „als ein leitender Gedanke in jedem politischen Handlungsfeld“ verstanden. Im Bildungsbereich heißt das: „Mehr Inklusionsplätze in Kitas, jeder weitere eingerichtete kooperative Ganztag muss inklusiv ausgerichtet sein.“ 

„Wir wollen den Ganztag an Schulen flächendeckend und inklusiv ausbauen [...]. Die Jugendhilfe ist dabei umfassend mitzudenken, ihr ist in den Planungen ein zentraler Platz einzuräumen.“ Konsequent dabei: „Wir werden die Schulsozialarbeit weiter ausbauen.“ 

An städtischen Schulen setzt die Stadt Maßstäbe mit der Einrichtung „multiprofessioneller Teams“ und dem erklärten Willen, sich „für kleinere Klassen sowie für zwei pädagogische Kräfte in den entsprechenden Klassen“ einzusetzen. Und: „Die bedarfsgerechte Budgetierung an den städtischen Schulen wird weiter ausgebaut.“

Internationale Klassen werden wir weiterentwickeln mit dauerhafter Sprachförderung, Zusatzangeboten [...], Modellklasse sog. für 0-Anfänger*innen (Sprachanfänger*innen) schulartübergreifend etwa an Orientierungsstufe und Gesamtschule. Wegen mangelnder Deutschkenntnisse zurückgestellte Kinder sollen stärker unterstützt werden.“

Zudem strebt die Koalition ein „Schul-Modellprojekt“ mit folgenden Eckpunkten an:

  • „Keine Notenvergabe, sondern individuelle Leistungsbeurteilung
  • Gemeinsame Schulzeit bis zur 10. Jahrgangsstufe
  • kein Sitzenbleiben,
  • offene Unterrichtsformen,
  • Sprachförderung und interkulturelles Lernen“

„Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) sind das Fundament von nachhaltigem Handeln und Umweltbewusstsein. Wir wollen deshalb die Umweltbeauftragten-Schulungen, die Multiplikator*innen-Schulungen für BNE in Schulen, der Stadtverwaltung und Umweltberatungen ausbauen und verstärken. Zudem möchten wir die Entwicklung der BNE-Konzeption beschleunigen.“

„Die junge Generation ist am meisten von den zukünftigen Konsequenzen heutiger Entscheidungen betroffen. Wir beziehen sie aktiv und von Anfang an in die Prozesse ein. Wir prüfen dazu auch die Einführung eines Jugendparlaments oder Jugendbeirats und wollen die Schüler*innenmitverwaltung stärken. [...] Kinder- und Jugendversammlungen sollen in allen Stadtbezirken verpflichtend durchgeführt werden.“  

Gesunde Ernährung

Bei der Gemeinschaftsverpflegung ist das Ziel sehr ehrgeizig: „Wir wollen die Kita- und Schulernährung verbessern und die Ernährungs- und Umweltbildung verstärken, indem wir

  • mehr Frischküche in Einrichtungen und Schulen etablieren
  • mehr Nahrungsmittel mit den Anbaukriterien Bio, Regionalität und Vegetarisch anbieten
  • eine 100% Bio-Quote bis zum Jahr 2025 erreichen
  • für eine bessere Mülltrennung in den Einrichtungen sorgen.“

Und: „Die Menge der nicht gegessenen Nahrung wird künftig ein Qualitäts-, Controlling- und Vergabekriterium für alle städtischen Einrichtungen sein.“

Digitalisierung als Chance

Die Koalition verspricht: „Schulen [...] holen wir ins digitale Zeitalter und statten sie mit guter Hard- und Software, schnellen Internetzugängen und mit Zugang zu qualifiziertem IT-Personal aus. Wir werden in die Medienkompetenz investieren [...]. Für uns gehört zur Lernmittelfreiheit auch die Ausstattung mit digitalen Endgeräten, spätestens ab der 5. Klasse.“

 

Für Sie zusammengestellt von Martin Göb-Fuchsberger

 

Kommentar

Start frei!

Wer die Koalitionsvereinbarung liest, merkt sofort: Die Koalitionäre haben sich intensiv mit zentralen Herausforderungen unserer Zeit beschäftigt und dokumentieren ihre Entschlossenheit, diese im Sinne aller Menschen in unserer Stadt anzugehen. Dabei gehen sie mit tiefgreifenden innovativen Lösungsansätzen mutig voran. 

Sie sind bereit, auch über die Stadtgrenzen hinaus Verantwortung für globale Fragen zu übernehmen und dafür enorme Summen zu investieren. Sie sehen die Notwendigkeit, alle Generationen und zivilgesellschaftlichen Akteure auf diesem Weg „mitzunehmen“ und Partizipation noch einmal deutlich größer zu schreiben als bisher.

Auch wenn die Stadt nicht für die Bildungsarbeit der staatlichen Schulen zuständig ist, nutzt die Koalition insbesondere im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) konsequent ihre Einflussmöglichkeiten, die sich aus ihrer Sachaufwandsträgerschaft ergeben. Ein gesundes, regionales Mittagessen oder konsequente Mülltrennung und -vermeidung sind unmittelbar bildungswirksam, weil unsere Kinder und Jugendlichen dadurch nachhaltiges Handeln im Alltag und nicht nur als theoretisches Ideal erleben können.

Eine optimale und nachhaltige Breitenwirkung kann allerdings nur erzielt werden, wenn es von Anfang an zu einer engen Abstimmung und Kooperation zwischen der Stadt und dem staatlichen Schulwesen kommt. Beratungs- und Unterstützungsangebote dürfen nicht nur den städtischen Realschulen und Gymnasien zugutekommen, sondern müssen mit der staatlichen Fortbildungs- und Fachberatungsstruktur verzahnt werden. Das gilt auch ganz besonders für den Bereich Digitalisierung.

Die grundsätzliche Ausrichtung der Stadtpolitik in Bezug auf Inklusion ist zwar berechtigt, muss aber in der Praxis berücksichtigen, dass der Staat nach wie vor viel zu wenige Ressourcen zur Verfügung stellt – eine Situation, die sich durch den Lehrermangel sicher demnächst noch deutlich verschärfen wird. Inklusion darf nicht auf dem Rücken aller Beteiligten umgesetzt werden, denn damit wäre dieses epochale Ziel zum Scheitern verurteilt! 

Wir stellen erfreut fest, dass die Koalition beim Konzept des „Schul-Modellprojekts“ dem BLLV und dem MLLV aufmerksam zugehört hat. Davon gehen wir auch im Hinblick auf Themen wie Mobilitätskonzept oder Schulhoföffnung aus, bei denen der Teufel oft genug im Detail steckt. Der MLLV wird zu offenen Fragen wie bisher differenziert Stellung nehmen und weiterhin darauf dringen, dass die Bedürfnisse von Lehrkräften angemessen berücksichtigt werden (vgl. unseren „Offenen Brief“ vom letzten Herbst). Nicht zuletzt müssen Zusagen aus der Zeit vor der Wahl eingelöst werden (vgl. Campusmanagement für Freiham). 

Bisher war vor allem Christine Strobl (SPD) als „Schulbürgermeisterin“ Ansprechpartnerin des MLLV. In der neuen Stadtspitze werden diese Aufgaben vor allem von der 3. Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) übernommen, ergänzt von der 2. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Die Grünen) im Bereich BNE. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit und wünschen der neuen Rathauskoalition mit OB Dieter Reiter an der Spitze viel Erfolg! 

Martin Göb-Fuchsberger

BU Mut.jpg:

Bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags im Kleinen Sitzungssaal des Münchner Rathauses (v. li. vorne): des. 3. BMin Verena Dietl (SPD), OB Dieter Reiter (SPD), des. 2. BMin Katrin Habenschaden (Die Grünen); (v.li. hinten:) StR Felix Sproll (Volt), Roland Fischer, Claudia Tausend (SPD), StR Christian Müller (Fraktionschef SPD), Dr. Florian Roth (Fraktionschef Die Grünen), Gülseren Demirel (Die Grünen), StR Dominik Krause, Thomas Niederbühl (Rosa Liste) (Foto: Christian Pfaffinger/LHM)