Von Seiltänzern, Zauberkünstlern und Akrobaten
Ein Seiltänzer benötigt Balance und gute Nerven um auf die Veränderungen einzugehen, wenn das Seil sich bewegt. Er muss mit dem Auf und Ab des Lebens zurechtkommen, während der Zauberkünstler seine übernatürlichen Kräfte einsetzt und physikalische Gesetze scheinbar auflöst. Er ist ein Illusionist, kann Gedanken lesen und begeistert sein Publikum, genauso wie auch der Akrobat mit seinen sehr guten sportlichen Leistungen.
Während des Showdown der Corona-Krise entwickeln sich Kompetenzen vieler Menschen um einige Kompetenzstufen weiter.
Lehrerinnen und Lehrer nehmen die Herausforderungen an. Bewundernswert, wie sie die Verbindung zu ihrer Klasse halten und diese mit Lernmaterial versorgen, obwohl die technischen Voraussetzungen dafür nicht geschaffen sind – vor allem im Grund-, Mittel- und Förderschulbereich.
Ein Ausschnitt aus dem Lerntagebuch:
Sie radeln durch den Schulbezirk mit Aufgabenpäckchen in der Fahrradtasche, klingeln an Haustüren, sprechen den Kindern gut zu, winken zu Terrassen und Balkonen und fangen Ostereier auf, die es auf sie herabregnet.
Sie chatten, skypen und zoomen. Lehrkräfte mussten digitale Kommunikationsplattformen erst einrichten, nachdem Mebis, die Plattform die das Kultusministerium zur Verfügung gestellt hat, schon am ersten Tag des Ansturms versagte.
Sie stellen am Datenschutz vorbei Mailinglisten zusammen, und Dank der Unterstützung der Elternbeiräte kommen sie rasch zum Ergebnis. So klappt die tägliche Aufgabenstellung pünktlich um 8:00 Uhr. Doch sie erreichen die Kinder nicht, die in computerlosen Haushalten leben. Per Post wandern hier die Hausaufgaben hin und her, wenn überhaupt.
- Sie nehmen sich Zeit für die Kommunikation mit Kindern und Eltern per WhatsApp, Telefon, Telefonkonferenz und für nicht technikaffine Familien per Post.
- Sie beteiligen sich an Fachkonferenzen, schulinternen Arbeitsgruppen und Online-Seminaren.
- Sie erstellen Erklärvideos, Lern-Apps und Tutorials.
- Sie lösen die Notfallbetreuung liebevoll und verantwortungsbewusst, und ohne besondere Regelung der Hygienemaßnahmen und des Infektionsschutzes.
- Sie messen Abstände, markieren Grenzen, bestellen Seifen und Desinfektionsmittel, teilen Klassen, Organisieren den flexiblen Unterrichtsbeginn, weisen den Lehrereinsatz zu, fangen die Ängste der Lehrerinnen und Lehrer auf und melden „Auftrag erledigt!“
Sie, ja es geht um Sie, liebe Leserin, lieber Leser. Es geht um Lehrerinnen und Lehrer die ihren Beruf als Berufung leben, die, die mit Herz, Kopf und Hand die Kinder im Leben begleiten.
- Sie, ja Sie, die nun erleben dürfen, dass Kinder sich nach Schule sehnen, die abends weinen, weil sie die Lehrerin nicht mehr sehen. Und Eltern, die nun überlegen, ob die Lehrerin doch manchmal mit der Einschätzung des Kindes näher an der Wahrheit liegt als man selbst.
Danke
Als Vertreterin der Schulleitungen und der Lehrkräfte, der Verwaltung, der Erzieherinnen und Erzieher und aller an Bildung Beteiligter möchte ich Ihnen ein herzliches Dankeschön sagen. Der Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband ist stolz auf seine Pädagoginnen und Pädagogen wie Sie die Krise meistern, sich auf veränderte Bedingungen einstellen, den Optimismus bewahren und den Kindern ein lebensnotwendiger Halt sind und weiterhin sein werden. Eine große Aufgabe wird es sein, die Kinder wieder einzuloten, die wir verloren haben, weil sie vor Corona schon zu wenig gesehen worden sind.
Danke, dass Sie diese Kinder nicht allein lassen werden.
Danke, dass Sie Sprachlosen eine Stimme geben.
Danke, dass Sie Mutlosen Kraft und Motivation geben.
Danke, dass Sie den Wissbegierigen individuelle Nahrung geben.
Danke, dass Sie den Neugierigen immer neue Wege eröffnen
Durch Sie lernen die Kinder Verlässlichkeit, Verantwortung, Vertrauen und Nächstenliebe.
Danke!
Waltraud Lučić