Bildung und Digitalisierung in Zeiten der Corona Krise
Bildung und Digitalisierung – zwei Schlagwörter, die nun schon seit Jahren in der Bildungsdiskussion Hochkonjunktur haben. Die Herausforderungen, vor die Schulschließungen unser Bildungssystem und die gesamte Gesellschaft in Zeiten von COVID-19 stellen, wirken im digitalen Kulturwandel wie ein Katalysator. Die radikalen, Corona-bedingten Veränderungen von alltäglichen Strukturen und Rahmenbedingungen, unter welchen schulisches Lernen und Lehren derzeit stattfinden müssen, legen einen großen strukturellen Nachholbedarf offen. Es zeigt sich mehr denn je die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Betrachtung von Digitalisierung in der Bildung.
Die größte Herausforderung: Fehlende Ausstattung und Konzepte für digitalen Unterricht
Wie mehrere Umfragen zum Thema Bildung in der Coronakrise deutlich aufzeigen, erwachsen die derzeitigen Herausforderungen für Bildungseinrichtungen vor allem aus der Kombination zweier Aspekte: die fehlende technische Infrastruktur bei Lehrkräften und Kindern und Jugendlichen sowie die mangelnde Erfahrung mit entsprechenden pädagogischen Vermittlungs- und Kollaborationskonzepten.
Eine Umfrage unter 1.700 Lehrerninnen und Lehrern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Thema „Bildung in der Corona Krise“ (April 2020/FOBIZZ in Kooperation mit Spiegel Ed und App Camps) zeigt, dass die gegenwärtigen digital gestützten Kommunikations-, Kollaborations- und Bereitstellungsstrukturen sowie die technische Ausstattung von Lehrkräften und ihren Schülerinnen und Schülern als die größten Herausforderungen in Bezug auf den sogenannten digitalen Fernunterricht identifiziert werden. 80 % der befragten Lehrerinnen und Lehrer gaben an, vor allem per E-Mail im Austausch mit ihren Schülerinnen und Schülern zu sein.
In Bezug auf die technische Ausstattung für den digitalen (Fern)Unterricht gaben fast 90 % aller befragten Lehrkräfte an, in der aktuellen Situation auf private Technik und Geräte angewiesen zu sein. Zwei Drittel der befragten Lehrkräfte berichten, dass ihre Schülerinnen und Schüler nur zum Teil die für den digitalen Fernunterricht benötigte Hardware (z.B. Laptop oder Tablet) besitzen.
Im Rahmen des „Deutschen Schulbarometers Spezial Corona-Krise“ (April 2020/Umfrage i. A. Robert Bosch Stiftung/Die Zeit) wurde neben dem Mangel an digitaler Ausstattung der Kinder und Jugendlichen an zweiter Stelle der am häufigsten genannten Probleme die fehlende Erfahrung der Lehrkräfte in der digitalen Lehre angeführt.
Gleichzeitig sieht ein Großteil der Akteure im Bildungssektor die aktuelle Situation auch als Chance für einen nachhaltigen Kulturwandel unserer Bildungslandschaft zu Gunsten einer innovativen und ganzheitlichen Gestaltung digitaler Bildung. (1)
Münchner Schulen in Zeiten von Corona
Wie nun sind die Münchner Schulen auf die Herausforderungen von Unterricht während der Corona-Pandemie vorbereitet? Wie vieler Orts müssen auch Münchner Schulen in Zeiten von Schulschließung, Social Distancing und Home Schooling improvisieren. München arbeitet im Rahmen des Zukunftsprogramms der Landeshauptstadt gemeinsam mit der LHM Services GmbH an der digitalen Transformation der Münchner Bildungseinrichtungen. Den Startschuss dafür gab der Stadtrat mit einem Grundsatzbeschluss im Oktober 2018.
Bis zum Jahr 2025 soll an allen Münchner Schulen, Kindertageseinrichtungen und Sportstätten eine moderne und leistungsfähige digitale Bildungsinfrastruktur implementiert sein. Allein für das Jahr 2020 sind hierfür Investitionen von rund 62,3 Millionen Euro geplant.
Ziel ist es, digitale Lernräume zu schaffen, die Pädagoginnen und Pädagogen sowie Lernenden vielfältige kreative Möglichkeiten bieten, um insbesondere mobiles und individuelles Lernen und Lehren zu gestalten. Dies beinhaltet beispielsweise das ortsunabhängige Arbeiten für Pädagoginnen und Pädagogen mittels mobiler Endgeräte und Online-Plattformen sowie ein Lernumfeld, das von flexiblen und kollaborativen Lehr- und Lernmethoden gekennzeichnet ist. Neben der Ausstattung steht dabei auch immer die Qualifizierung der Pädagoginnen und Pädagogen im Fokus, damit die moderne Technik in der Praxis auch Anwendung findet.
Jedoch steht die Umsetzung der digitalen Transformation noch am Anfang und wichtige Meilensteine, beispielsweise eine flächendeckende WLAN-Ausleuchtung aller Schulgebäude oder die IT-Ausstattung für Lehrkräfte, wird erst sukzessive in den nächsten Jahren umgesetzt.
Trotzdem ist München im Vergleich zu anderen Städten und Kommunen in Bayern gut aufgestellt: Mit der LHM Services GmbH (LHM-S) hat die Stadt einen professionellen IT-Dienstleister, der auch in der Ausnahmesituation gezielt unterstützen kann.
So hat die LHM-S den weiterführenden Schulen Ende März temporär ein erweitertes Service- und Unterstützungsangebot zur Verfügung gestellt, um ihre Arbeitsfähigkeit trotz Einstellung beziehungsweise Einschränkung des Unterrichtsbetriebs sicher zu stellen.
Um mit den Kindern und Jugendlichen auch über die Ferne in Kontakt zu bleiben, können die Münchner Lehrerkräfte und Schülerinnen und Schüler nun die Austauschplattform „Teams for Education“ nutzen. Das Tool ermöglicht die Organisation virtueller Klassenräume, den Dokumentenaustausch und die Kommunikation zwischen Lehrkräften und Kindern. Als IT-Dienstleister schult die LHM-S die Nutzerinnen und Nutzer im technischen Umgang mit „Teams for Education“ und leistet den entsprechenden Service. Das Pädagogische Institut – Zentrum für Kommunales Bildungsmanagement ergänzt dieses Angebot mit Schulungen und praktischen Tipps zum pädagogischen Einsatz der digitalen Infrastruktur. Inzwischen nutzen etwa 90 Münchner Schulen das Angebot (Stand 22.04.2020).
Im ersten Schritt wurden die weiterführenden Schulen bedacht, um den Abschlussjahrgängen so schnell wie möglich Unterstützung zu bieten. Jedoch gibt es auch an Grundschulen dringenden Bedarf. Die LHM-S steht daher in intensivem Austausch mit einigen Pilotschulen und Vertreterinnen und Vertretern des Staatlichen Schulamtes der Landeshauptstadt München.
Trotz dieser Vorarbeit ist es eine große Herausforderung, in so kurzer Zeit Unterricht völlig neu zu denken. Kreativität und Mut, gemeinsam mit Lernenden Neues auszuprobieren, sind in diesem Kontext eine der wichtigsten Faktoren.
Auch über die Herausforderungen der durch die Corona-Situation besonders getroffenen sozial benachteiligten Kinder und Jugendlichen, wo zuhause die IT-Ausstattung oder das WLAN fehlen, macht sich die Stadt München Gedanken:
Zum einen hat das Sozialreferat die Bezuschussung von derzeit 250,00 Euro für den Kauf eigener mobiler Geräte für bestimmte Personengruppen erweitert. Zudem bemüht sich das Referat für Bildung und Sport gemeinsam mit der LHM-S, in den nächsten Wochen mobile Endgeräte temporär an Schülerinnen und Schüler zu verteilen, die zu Hause keinen Zugang zu geeigneter Hardware (Rechner/Tablet) haben.
Denn laut Einschätzung von Experten verschärft sich die soziale Ungleichheit in der derzeitigen Krisensituation in unserem Bildungssystem. Dem „Deutschen Schulbarometer Spezial Corona-Krise“ (April 2020/Umfrage i. A. Robert Bosch Stiftung/Die Zeit) zufolge gehen 86 % der befragten Lehrkräfte davon aus, dass sich die Effekte der sozialen Ungleichheit durch Schulschließungen verstärken werden.
Dem versucht die Stadt München auch mit einer adäquaten IT-Ausstattung entgegenzuwirken.
Zukünftiger Schulalltag unter Einhaltung der Abstandsregeln
Bildung neu denken endet aber unter den gegebenen Umständen nicht mit der geplanten stufenweisen Rückkehr in die Bildungseinrichtungen. Gerade das Unterrichten in Zeiten des neuen „Corona“-Alltags wird weiterhin einen komplett neuen Schul- und Lernablauf bedeuten. Allein die Frage, wie Abstandregeln in Schule eingehalten werden können, hat große Auswirkungen auf die Gestaltung von Lernen, Vermitteln und das gemeinsame Arbeiten.
Dabei gilt es, kreative pädagogische Konzepte produktiv mit passender und schnell verfügbarer IT-Infrastruktur zusammenzubringen. Ideen und Konzepte gibt es genug: viele Bildungsinstitute, universitäre Projekte sowie kreative Lehrende und Lernende haben im Bereich der innovativen digitalen Bildung bereits einiges an Ideen und Konzepten entwickelt. Diese gilt es jetzt gemeinsam zu erproben.
Eines sollte man aber auch bei aller Kreativität und allem Ausprobieren nicht aus dem Auge verlieren: Kompetente Beratung durch erfahrene Akteure im Bereich Digitalisierung und Bildung, z. B. in Bezug auf datenschutzrechtliche Fragen, Nutzungsempfehlungen für bestimmte Tools, eigene Medienproduktionen oder auch beim Einsatz neuer Vermittlungskonzepte, ermöglicht nicht nur eine Erleichterung des neuen Arbeitsalltags, sondern auch die Etablierung nachhaltiger Lösungen.
Auch wenn die Corona-bedingten Herausforderungen in der Münchner Bildungslandschaft sicherlich, wie auch andernorts, viele Fragen aufwerfen, hat München im Vergleich zu anderen Kommunen gute Voraussetzungen und gewachsene Strukturen, um unsere Schulen zentral und mit einem ganzheitlichen Blick auf digitale Bildung zu unterstützen. Das Referat für Bildung und Sport hofft, gestärkt aus der Krise hervorzugehen und die Chancen und Potenziale des Digitalen Lernens auch langfristig im pädagogischen Alltag verankern und nutzen zu können.
In diesem Sinne ein herzliches Danke an alle, die dazu beitragen, dass unsere Schülerinnen und Schüler trotz Krise die bestmögliche Unterstützung für ihren derzeit sehr außergewöhnlichen Lernalltag erfahren.
Stadtschulrätin Beatrix Zurek
(1) Laut der Umfrage „Bildung in der Corona Krise“ (April 2020/FOBIZZ in Kooperation mit Spiegel Ed und App Camps) nehmen 90% der Lehrkräfte die aktuelle Situation auch als Chance für die Digitale Bildung wahr.