Abschieds-Interview mit Schulbürgermeisterin Strobl

Im Februar kam es im Rathaus am Marienplatz zu einem Treffen von Schulbürgermeisterin Christine Strobl, der Vorsitzenden des MLLV, Waltraud Lučić, und dem stellvertretenden Pressereferenten des MLLV, Andre Grenzebach. Nein, es ging nicht, wie man erwarten könnte, um die aktuelle Schulpolitik. Es ging um die Möglichkeit eines letzten Interviews mit der Schulbürgermeisterin, die bei den kommenden Kommunalwahlen im März nicht mehr kandidieren wird. Diese Chance nutzte der MLLV, um gemeinsam mit Frau Strobl, die seit 2006 Schulbürgermeisterin ist, auf eine bewegte Bürgermeisterinnenkarriere zurückzublicken, während der es auch immer wieder zu Begegnungen mit dem MLLV kam.

Waltraud Lučić leitete die Begegnung mit einem Dank an die Schulbürgermeisterin ein, dass sie sich für das auch für Lučić selbst besondere Interview - trafen beide doch während ihrer Laufbahn immer wieder aufeinander - zum Abschied trotz der hektischen Zeit vor den nächsten Kommunalwahlen Zeit genommen hat. Sie seien die letzten 14 Jahre gemeinsam gegangen, was etwas Besonderes sei.

Der stellvertretende Pressereferent des MLLV leitete nun zum Interview über mit den Worten: „Frau Strobl, wir haben in Erfahrung gebracht, dass Sie Geschichte studiert haben. Geschichte ist immer die Rekonstruktion von Vergangenheit und wir vom MLLV haben uns für dieses besondere Interview überlegt, Sie selbst Ihre eigene Vergangenheit als Schulbürgermeisterin in Form unserer Fragen und ihrer Antworten rekonstruieren zu lassen. Dazu haben wir uns ein kleines, einfaches Spiel überlegt. Sie ziehen nach und nach in willkürlicher Reihenfolge Fragen zu Ihrer Laufbahn als Schulbürgermeisterin und beantworten diese. Nachdem Sie eine Frage beantwortet haben, ordnen Sie diese bitte Ihrer Zeitleiste zu, auf der sich bereits ein Bild von Ihnen zu jedem Jahr als Schulbürgermeisterin befindet. Wir beginnen mit der ersten Frage.“

Der Übersichtlichkeit halber werden die Fragen und Antworten hier in chronologischer Reihenfolge abgebildet vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2006 und mit einer thematischen Überschrift versehen. Das ergibt zusammen 15 Fragen und Antworten und einen Überblick über Strobls Schulpolitik seit ihrem Amtsantritt:

 

2020   Ruhestand

MLLV: „Als Bürgermeisterin hatten Sie wenig Freizeit. Sie gehen nach den Kommunalwahlen in den wohlverdienten Ruhestand. Haben Sie schon Pläne, was Sie mit Ihrer neu gewonnenen Zeit anfangen?“

Strobl: „Ich mache erstmal gar nichts. Wenn man in den Ruhestand geht, ist man froh, nicht nach einem Terminkalender leben zu müssen.“

 

2019   150 Jahre RBS

MLLV: „In der Festrede zum 150. Geburtstag des Referats für Bildung und Sport gaben Sie einen Überblick über die erfolgreiche Geschichte des RBS und äußerten unter anderem: „Entgegen der Befürchtung einiger aktueller in der Buchhandlung erhältlicher Werke wie „Schule vor dem Kollaps“ oder „Deutschland verdummt“, hat das Münchner Schulwesen eine glänzende Zukunft.“ Diese Rede beeindruckte uns besonders. Auf welche Art und Weise inspirierten die beiden genannten Buchtitel Ihre Rede?“

Strobl: „Die Buchtitel zeigen, dass das Thema Bildung ein sehr wichtiges Thema darstellt. Jedes Jahr erscheinen neue Titel zu diesem Thema in den Buchhandlungen. Die Stadt München zeigt mit ihren innovativen Ansätzen, dass es auch anders geht als die in der Rede genannten Titel vermuten lassen. Es gibt viel Positives wie z. B. neue Schulbauten in München.“

 

2018   Inklusion

MLLV:Sie überreichten Christian Marek die Kerschensteiner Medaille. Unter anderem auf Grund seines Engagements für die Inklusion. Als erste Münchner Grundschule kooperierte seine Schule bereits ab September 2002 mit der Otto-Steiner-Förderschule, einer Einrichtung des Heilpädagogischen Centrum Augustinum.  Haben Sie eine Vision in Bezug auf Inklusion?“

Strobl: „Bezüglich der Inklusion muss es genügend Ressourcen finanzieller und personeller Art geben. Dieses Problem ist bislang nicht gelöst worden.“

 

2017   150 Jahre MLLV

MLLV: „Der MLLV wurde 150 Jahre alt. Sie sprachen den Lehrerinnen und Lehrern größte Hochachtung aus. Wie gestaltete sich in Ihren Augen die Zusammenarbeit mit dem MLLV?“

Strobl: „Die Zusammenarbeit war immer vertrauensvoll und konstruktiv.“

 

2016    Herausforderungen

MLLV: „Auf der letzten Delegiertenversammlung des MLLV sprachen Sie in Ihrem Grußwort Herausforderungen an. Welches sind die drei größten Herausforderungen, denen Stadt und MLLV entgegentreten müssen?“

Strobl: „Die größte Herausforderung ist es, dass unsere Stadtgesellschaft nicht in Gruppen zerfällt. Schule muss den Gemeinsinn fördern und den immer stärkeren Individualisierungstendenzen entgegentreten. Eine zweite Herausforderung sind die neuen Medien. Ich sehe es als gefährlich an, wenn Medien zunehmend kritiklos verwendet werden. Auch das Thema Cybermobbing wird in der Zukunft eine Rolle spielen. Aber die neuen Medien bieten auch viele Chancen. Eine dritte Herausforderung wird es sein, die Kinder fürs Leben fit zu machen. Der Lebensbezug muss in der Schule öfter hergestellt werden zum Beispiel durch die Beschäftigung mit Fragen wie: „Welche Bedeutung haben unsere Sozialversicherungssysteme?“

 

2015   Ganztag

MLLV: „Sie nahmen an verschiedenen Ganztagskongressen teil. Das Thema stand für Sie immer im Fokus. Ganztag hieß für Sie gebundene Ganztagsklasse. In den letzten Jahren wichen Sie von dieser Meinung etwas ab und akzeptierten auch die offene Form? Wie kam es zu diesem Sinneswandel?“

Strobl: „Ich bin immer noch eine Befürworterin des gebundenen Ganztags. Wenn Schulen den gebundenen Ganztag nicht wollen, bietet sich als Alternative der offene Ganztag. Die Nachfrage nach dem neuen kooperativen Ganztagsmodell steigt jedoch zunehmend. Das ist sozusagen eine Erweiterung des gebundenen Ganztags durch Elemente des offenen Ganztags. Zum gebundenen Ganztag gibt es die Möglichkeit, Randzeiten beispielsweise am Freitagnachmittag aus dem offenen Ganztag dazuzubuchen und so zu einer Erweiterung des Angebots zu kommen. Vorteile des gebundenen Ganztags sind, dass dort die Fördermöglichkeiten größer sind, weil er durch Lehrkräfte geleitet wird. Außerdem ist die Vorbereitung auf Prüfungen durch die Lehrkraft steuerbar. Der gebundene Ganztag ist auch für die Klassengemeinschaft wichtig.“

 

2014   Bildungs- und Kulturzentrum

MLLV: „Zum Bildungscampus wird Freiham erst durch ein abgestimmtes Miteinander aller Akteure und Institutionen des sozialen und kulturellen Lebens im Stadtteil. 

Die Schulen sind jetzt eingezogen. Erklären Sie uns bitte, warum Ihrer Meinung nach die Vernetzung zwischen den beteiligten Institutionen abgeschlossen bzw. nicht abgeschlossen ist?“

Strobl: „Je mehr Einrichtungen es gibt, desto stärker kann sich vernetzt werden. Ich bin froh, dass die Schulen bereits eingezogen sind. Die Vernetzung wird Zug um Zug umgesetzt. Entsprechende Beschlüsse dazu gibt es schon. Vernetzung ist ein immerwährender Prozess. Verschiedene Institutionen können auf einem Campus allein durch die räumliche Nähe gut verknüpft werden. Es kann dann auch zu einer Verbindung zwischen den verschiedenen Schularten kommen, wenn diese z. B. gemeinsam Räumlichkeiten nutzen.“

 

2013   Direkter Draht

MLLV: „In der Abendzeitung stellte sich 2010 der neue Stadtschulrat so vor: „Hallo, ich bin der Neue!“ Kurzer Hand entschieden Sie sich dazu, dass die MLLV-Vorsitzende Sie immer persönlich am Telefon erreichen konnte. Die Wege waren sehr kurz. Was hat Sie dazu veranlasst?“

Strobl: „Wenn jemand neu anfängt, ist es immer nicht ganz so einfach. Weil ich für Bildung zuständig bin, ist mir der direkte Kontakt immer wichtig. Die Kommunikation sollte nicht nur über den Stadtschulrat oder die Stadtschulrätin möglich sein.“

 

2012   Zusammenarbeit Stadt – Staat

MLLV: „Nicht nur mit der MLLV-Vorsitzenden führten Sie bildungspolitische Gespräche. Auch die Fachgruppe Schulleitung im MLLV wandte sich mit Ihren Sorgen und Nöten im Bereich der Sachwaltung an Sie. Wo sehen Sie Punkte, der noch engeren Zusammenarbeit von Stadt und Staat?“

Strobl: „Die Zusammenarbeit hat sich, was das Thema Schulbau anbelangt, verbessert (Flächenbandbreiten). Auch beim kooperativen Ganztag gab es eine gute Zusammenarbeit. Nachholbedarf gibt es beim Personal und der Übernahme der Kosten.“

 

2011   Münchner Förderformel

MLLV: „Nach dem einstimmigen Beschluss des Münchner Stadtrats wird die „Münchner Förderformel“ zur gezielten Bezuschussung von Kindertagesstätten in soziokulturell benachteiligten Stadtteilen ab September 2011 schrittweise umgesetzt. Dafür wird der Etat des Bildungsreferats dauerhaft um 35 bis 50 Millionen Euro aufgestockt. Sie bezeichnen die Münchner Förderformel als echten Meilenstein?

Warum sehen Sie das so?“

Strobl: „Für mich ist der Standortfaktor das Kernstück der Förderformel. Mittlerweile werden damit viele Dinge finanziert. Man müsste mehr darauf schauen, wo man die Mittel einspeist. Dort, wo Benachteiligung größer ist und wo im jungen Alter Förderung nötiger ist, muss mehr Geld hinfließen.“

 

2010   Akustikdecken

MLLV: „Sie haben sich um die Verbesserung der Akustik in Münchner Bildungseinrichtungen verdient gemacht. Sie haben mit dem Stadtrat beschlossen jährlich eine Million Euro in Akustikdecken zu investieren. Sind in diesen zehn Jahren die zehn Millionen Euro auch wirklich in dieses Projekt geflossen?“

Strobl: „ Ich gehe davon aus, dass das Geld für die Akustikdecken natürlich entsprechend verwendet worden ist. Außerdem hat sich die Säule 1 daraus entwickelt. Schulen können unbürokratisch beim Baureferat z. B. jetzt Malerarbeiten beantragen oder das Verlegen von neuen Fußböden.“

2009   Stadtgespräche

MLLV: „Zu Beginn unserer gemeinsamen Amtszeit haben Sie den MLLV von sich aus zu Stadtgesprächen eingeladen. Das waren konstruktive Gespräche mit Schulleitungen, dem MLLV-Vorstand, Vertretern des RBS, des Kultusreferats und Ihnen. Wir tauschten Sorgen, Wünsche, Dank und Anregungen aus.

Später haben Sie darauf gewartet, dass der MLLV ein Anliegen hervorbrachte und Ihr Büro gab dann der Vorsitzenden einen Termin. Warum haben Sie diesen Weg gewählt?“

Strobl: „Der Terminkalender ist immer voller geworden. Es ist immer besser, bei Bedarf Gespräche zu führen. Manchmal benötigt man Gespräche in kürzeren Abständen und manchmal während eines halben Jahres nur eines. Positive Rückkoppelungen gab es immer wieder.“

2008   Sachwalteranliegen

MLLV: „Sie erklärten einst Sachwalteranliegen zur „Chefsache der Stadt München“.

Wir stellen fest, dass es mehr Bürokratie denn je an Münchner Schulen gibt. Wie erklären Sie die Diskrepanz?“

Strobl: „In dieser Form ist das leider nicht steuerbar. Vieles läuft in den Referaten, was nicht über meinen Tisch geht. Gefühlt ist das im Laufe der Jahre immer mehr geworden statt weniger. Die Zunahme der Bürokratie resultiert daraus, dass man sich jeweils nach allen Seiten hin absichern will, was ja auch verständlich ist.“

2007   Grußwort

MLZ: „Bei Ihrem ersten Kamingespräch erwähnten Sie das Erfolgsmodell der Schulsozialarbeit. 1993 begann München die Schulsozialarbeit zu etablieren. Sie haben diesen Weg 13 Jahre mitgetragen. Was haben Sie erreicht?“

Strobl: „Die anfängliche Skepsis der Schulsozialarbeit gegenüber ist in den Schulen gewichen. Eigentlich alle Schulen hätten gerne Schulsozialarbeit in noch größerem Umfang als sie sie bereits haben.“

2006    Das Geschenk

MLZ: Eines der ersten Aufeinandertreffen mit der 1. Vorsitzenden werden Sie in besonderer Erinnerung haben. Sie brachte Ihnen eine Okarina mit. Als Symbol dafür, dass Politiker bei Fehlentscheidungen manchmal zurückgepfiffen werden müssten. Wie oft hatten Sie das Verlangen andere zurückzupfeifen?

Strobl: „Ab und zu.“

 

Der MLLV bedankt sich bei Schulbürgermeisterin Strobl für die jahrelange konstruktive Zusammenarbeit, für die Möglichkeit dieses Interview zu führen und wünscht ihr alles Gute für die Zukunft mit vielen Glücksmomenten!

Waltraud Lucic, Vorsitzende

Andre Grenzebach, Stellvertr. Pressereferent