Rückkehr an ursprüngliche Schulart durch KM Maßnahmen mutmaßlich torpediert?

Seit dem Jahr 2015 dienen Zweitqualifikanten aus dem Realschul- und Gymnasialbereich als wertvolle Stütze der Lehrerversorgung im Bereich der Grund-, Mittel- und Förderschulen . Schon zu diesem Zeitpunkt war durch die Öffnung der sonst in Bayern sehr strengen dreigliedrigen Lehrerausbildung abzusehen, dass die Lehrerversorgung an diesen Schularten ins Wanken geraten war, auch wenn die Politik dies stets dementierte.

„Wie Sie aus der medialen Berichterstattung wissen, sind deutschlandweit seit einigen Jahren Lehrer knapp. Bayern hat sich lange Zeit erfolgreich gegen diesen Trend gestemmt und Maßnahmen ergriffen, um zusätzliches Lehrpersonal für unsere Grund-, Mittel- und Förderschulen zu gewinnen.“ (KMS)

Was man hierbei nicht vergessen darf ist, dass diesen, laut Kultusministerium nun über 1400 Zweitqualifikanten allein an Grund- und Mittelschulen, ein jährliches Rückkehrrecht an ihre ursprüngliche Schulart eingeräumt wird. Das heißt, dass bei Bedarf jeder Zweitqualifikant jeweils zu Schuljahresbeginn, bei Erreichen der Grenznote der jeweiligen Fächerverbindung seiner ursprünglichen Schulart, sofort und ohne Vorwarnung den Grund- und Mittelschulbereich verlassen kann. Die Grenznoten in beinahe allen Fächern waren die letzten zehn Jahre sehr streng, weshalb eine große Rückkehrwelle bislang ausblieb und die Zahl der Zweitqualifikanten, welche die Chance auf einen festen Arbeitsplatz ergriffen, zunahm. Den meisten fertigen Zweitqualifikanten gefällt es an ihrer neuen Schulart sehr gut und sie sind dankbar ein Teil der Grund- und Mittelschullehrerschaft sein zu können.

„Nach den derzeitigen Prognosen werden die Schülermehrungen an den Grundschulen im Schuljahr 2026/27 ihren Höhepunkt erreichen und dann abflachen, an den Mittel- und Förderschulen werden die Schülerzahlen kontinuierlich bis 2030 weiter steigen.“ (KMS)

Die aktuellen Maßnahmen des Kultusministeriums zur Sicherung der Unterrichtsversorgung lässt erwarten, dass diese Zufriedenheit ins Wanken geraten könnte. Zusammen mit der Tatsache, dass jetzt schon im Realschulbereich und erwartungsgemäß bis spätestens (!) 2025 auch im Gymnasialbereich der Bedarf an Lehrkräften stark ansteigen wird und somit einem Großteil, wenn nicht allen, Zweitqualifikanten eine Rückkehr an ihre ursprüngliche Schulart ermöglicht wird, lässt Schlimmes für die Lehrerversorgung im Bereich der Grund- und Mittelschulen erahnen. Die Gründe für einen Rückkehrwunsch sind vielfältig: Selbstverständlich spielen die höhere Eingangsbesoldung und eine quasi beurteilungsunabhängige Regelbeförderung eine Rolle. Zusätzlich sind die deutlich zahlreicheren Aufstiegsmöglichkeiten in eine vergleichsweise breite Auswahl an Funktionsämtern zu nennen. Nicht zu vernachlässigen sind aber auch Aspekte der Arbeitsbedingungen. Die Unterrichtspflichtzeit an Realschulen und Gymnasien ist schon ohne die Arbeitszeitkontomaßnahmen geringer (23 bzw. 24 Wochenstunden). Nun wird, zumindest an Grundschulen, ein Arbeitszeitkonto mit einer Stunde Mehrarbeit eingeführt, das momentan weder an Realschulen noch an Gymnasien existiert. Des Weiteren ist anzumerken, dass auch Einschränkungen im Bereich Teilzeit und dem Sabbatjahr an Realschulen und Gymnasien nicht vorhanden sind. Das Gras ist also tatsächlich momentan auf der anderen Seite wesentlich grüner und man kann es den Zweitqualifikanten kaum verübeln, unter diesen nun geänderten Umständen das „sinkende Schiff Grund- und Mittelschule“ gegebenenfalls verlassen zu wollen. Durch einen vom Kultusministerium garantierten Notenbonus von 0,24 auf die Gesamtprüfungsnote im Falle einer spätere „Freie Bewerbung“ nach fünf Jahren Dienstzeit als Zweitqualifikant wird eine Rückkehr faktisch noch subventioniert. Aus Sicht der Zweitqualifikanten ist dies eine nette Geste und durchaus auch ein Anreiz, sich auf die neue Schulart einzulassen. Die Grund- und Mittelschulen, die durch die Begleitung und „Ausbildung“ dieser Lehrkräfte zusätzliche Arbeit leisten müssen, könnten das als suboptimal empfinden.

Die Tatsache, dass man insbesondere im Bereich der Mittelschulen auf das Arbeitszeitkonto verzichtet, weil man die Stunden in den nächsten fünf Jahren nicht zurückgeben kann, lässt an dieser Schulart noch schlimmere Belastungen als an den Grundschulen erahnen. In unserer Veranstaltung „KLARTEXT Zweitqualifizierung“ haben wir außerdem die Erfahrung gemacht, dass es auch unter den Interessenten für die zukünftigen Zweitqualifizierungsmaßnahmen ein eher geringes Interesse an der Schulart Mittelschule gibt. Die Arbeitsbedingungen werden dort also erwartungsgemäß immer schlechter werden. Es bleibt abzuwarten, wie lange Zweitqualifikanten hier, zusammen mit ihren „nativen“ Mittelschulkolleginnen und Kollegen, geduldig weiter an ihre Belastungsgrenze gehen werden, bevor sie nicht doch in ihr Rettungsbot „Rückkehrrecht an die Realschule / ans Gymnasium“ springen werden, auch wenn es vielen, wie oben erwähnt, eigentlich gut gefällt und sie eigentlich bleiben wollen. Doch ein Verbleib wird ab einem gewissen Punkt, aus oben genannten Gründen, nicht mehr rational sein.

Insgesamt dienen Zweitqualifikanten noch immer als wichtige Säule der Lehrerversorgung im Bereich der Grund- und Mittelschulen, was auch von Kultusminister Prof. Dr. Piazolo stets wiederholt und als erfolgreiche Maßnahme gegen den Lehrermangel angepriesen wird. Doch diese über 1400 Lehrerstellen im Bereich der Grund- und Mittelschulen sind faktisch auf Pump, denn eine Rückkehr dieser Zweitqualifikanten an ihre ursprüngliche Schulart, an der es derartige Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen wie die oben genannten nicht gibt, wird immer wahrscheinlicher. Aufgrund der Tatsache, dass diese Rückkehr jährlich und ohne Vorwarnung möglich ist, muss man langfristig auch diese Lücke mit neu ausgebildeten Lehrkräften füllen, denn man weiß vor dem jeweils neuen Schuljahr nie, wie viele der Zweitqualifikanten noch übrig sind. Spätestens im Jahr 2025 werden wir sonst einen Super-GAU erleben, wenn die Politik nicht bald etwas unternimmt. Leidtragende werden, wie so oft, die Schülerinnen und Schüler sein.

Alexandra Klement, AK Zweitqualifizierung, GS

Florian Zeindl, AK Zweitqualifizierung, MS und MLLV Vorstandsmitglied