Kommentar zur aktuellen schulpolitischen Situation: Maßnahmen zur Sicherung der Unterrichtssituation an Grund- und Mittelschulen

Das Problem hinter dem Problem

Besondere Zeiten machen besondere Maßnahmen notwendig. Bezogen auf den nun dramatisch durchschlagenden Mangel an Lehrkräften in Grund- und Mittelschulen wird dies derzeit vielfach diskutiert. Man kann ja über alles reden.

Zu aller erst jedoch und unmissverständlich: Es geht – auch wenn dies in der Diskussion gerne in den Hintergrund geschoben wird – um das Bildungswohl der Schülerinnen und Schüler an den Münchner Grundschulen und Mittelschulen. Sie werden den Preis für diese Bildungspolitik bezahlen müssen. Denn – machen wir uns nichts vor – die bisherige Qualität an den Grund- und Mittelschulen ist nicht zu halten. Denn die Schere „Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg“ geht weiter auf. Denn die Idee der Bildungsgerechtigkeit wird wieder ein Stückchen mehr Utopie. Darum geht es. Und deswegen setzen wir uns so vehement für unseren Beruf, nein – für unsere Berufung ein.

Wenn nun seitens unseres Dienstherrn der „Anstieg der Teilzeitquote“ in den letzten Jahren stark mit der Ursache des Mangels an Lehrkräften in Verbindung gebracht wird, wenn vermeintliche Privilegien des Beamtenstatus in den Mittelpunkt der Diskussion geschoben werden, wenn die „großzügige Nutzung“ der Spielräume des Dienstrechts zugunsten der Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren explizit genannt wird, dann wird die eigentliche Ursache des Mangels an Lehrkräften sichtbar – sozusagen das Problem hinter dem Problem.

Nämlich: Die mangelnde Wertschätzung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen an Grund- und Mittelschulen.

Wertschätzung zeigt sich zum einen in einer ehrlichen Analyse der Ursachen

Diese findet nicht statt. Sagen wir es deutlich: Der Mangel an Lehrkräften ist kein Phänomen, das sich einfach so ergeben hat oder das aus den anderen Bundesländern nach Bayern herüber geschwappt ist. Für den eklatanten Mangel an Lehrkräften gibt es Gründe. Und die liegen in der Verantwortung der handelnden Bildungspolitiker. Denn Bildungshoheit ist Ländersache.

Erinnern wir uns daran: Noch vor nicht allzu langer Zeit haben Kolleginnen und Kollegen mit sehr guten Examensnoten in der Grundschule keine Anstellung erhalten. Anstatt für die Zeit des bevorstehenden Mangels vorzusorgen, wurden diese voll ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen weggeschickt. Wir würden sie heute so dringend benötigen.

Offensichtlich haben die Prognosen des Kultusministeriums zum Lehrerbedarf nicht gestimmt. Dabei war der heute durchschlagende Mangel sehr wohl vorhersehbar – unabhängig davon, ob die Teilzeitquote gestiegen ist oder nicht. Unabhängig davon, ob der Zuzug nach Bayern oder die Geburtenrate nun höher ausgefallen sind oder nicht. Unabhängig davon, ob mehr Kolleginnen und Kollegen in Pension gegangen sind oder nicht. Fundierte Warnungen vor einem bevorstehenden Mangel an Lehrkräften gab es seitens des BLLV durchaus und nachweislich.

Dabei dürfen wir noch nicht einmal vergessen: Dem Kultusministerium kam bei der Unterrichtsversorgung in Grund- und Mittelschulen der Überhang an Lehrkräften anderer Schularten sogar noch als Glücksfall entgegen. Der Kultusminister spricht in seinem Schreiben von über 1400 voll qualifizierten Lehrkräften, die als Zweitqualifikanten mittlerweile in unseren Schularten arbeiten. Ohne diese Kolleginnen und Kollegen wäre die Unterrichtsversorgung bereits spätestens im letzten Schuljahr zusammengebrochen.

Wertschätzung zeigt sich zum anderen in echter Anerkennung der Arbeit an Grund- und Mittelschulen

Die Kolleginnen und Kollegen spüren es ganz genau, wenn die Profession der Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen für beliebig und für leicht ersetzbar gehalten wird. Nämlich dann, wenn altersgemäßes pädagogisches Handeln als „Kuschelpädagogik“ abgetan wird. Wenn die Arbeit in Ganztagsklassen mit „ein bisschen Spielen“ gleichgestellt wird. Wenn fachfremde Seiten- und Quereinsteiger nach kurzer Fortbildung in Grund- und Mittelschulen unterrichten dürfen und dies sogar noch als innovatives Element dargestellt wird.

Ach ja: Und wenn ein Prestigeprojekt wie die externe Evaluation aufrecht erhalten wird, das mit etlichen Lehrerstunden ausgestattet ist, das sich in der Praxis jedoch als wenig effizient herausgestellt hat. Die weitere Aussetzung oder Abschaffung der externen Evaluation wäre ein gutes Signal und würde Lehrerstunden freimachen, die sofort in die Unterrichtsversorgung investiert werden könnten.

Bleibt zum Schluss noch die Besoldung: Die Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen haben mit Abstand die höchste Unterrichtsverpflichtung. Die pädagogischen Herausforderungen der täglichen Arbeit in diesen Schularten sind anerkanntermaßen am höchsten. Nur: Die Besoldung ist am niedrigsten. Der Zusammenhang mit dem Lehrkräftemangel liegt hier klar auf der Hand.

Die längst fällige Anpassung der Besoldung – auch dies hat etwas mit Wertschätzung zu tun.

Es grüßt Sie sehr herzlich Dr. Michael Hoderlein, 3. Vorsitzender des MLLV