Großer Erfolg der Auftaktveranstaltung „Bildung für nachhaltige Entwicklung – eine Konzeption für München“
BNE-Akteure wirken an der Erarbeitung des Konzepts mit
Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) als Teil der globalen Agenda 2030 der Vereinten Nationen soll in München durch ein umfassendes Handlungsprogramm verankert werden. Das Konzept wird vom Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) und dem Referat für Bildung und Sport (RBS) im Auftrag des Münchner Stadtrats bis 2022 erarbeitet. Das Besondere dabei: Der Stadtratsbeschluss sieht vor, dass Akteure aller Bildungsbereiche ihre Expertise von Anfang an einbringen können. Im November fand die Auftaktveranstaltung hierzu im Kulturhaus Milbertshofen statt.
Bei der Eröffnung dieses Beteiligungsprozesses im voll besetzten Saal des Kulturhauses erklärten die Referentin für Gesundheit und Umwelt, Stephanie Jacobs, und Matthias Marschall als Vertreter von Stadtschulrätin Beatrix Zurek unisono, dass „Bildung für nachhaltige Entwicklung ein Herzensanliegen“ für sie sei und sicherten die „volle Unterstützung“ der Referatsspitzen für die kommende Arbeit zu.
Jacobs erklärte auch, dass BNE bereits jetzt entschieden gefördert werde. So wurden etwa 200.000 € im Haushalt zum Ausbau des Modells „Schule N“ und weiterer Maßnahmen umgewidmet.
Das Leitziel von BNE sei unbestritten die Förderung von Kompetenzen, die es allen Münchnern möglich mache, in ihrem Alltag nachhaltig zu handeln, betonte Marschall. Dabei sind die Herausforderungen für die städtische „Verantwortungsgemeinschaft“ enorm: Klimaschutzziel der Landeshauptstadt München ist die Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2030.
Überlebensfrage: Was macht ein gutes Leben aus?
Hauptreferentin Dr. Mandy Singer-Brodowski vom „Institut Futur“ der Freien Universität Berlin erinnerte daran, dass die Bürger der wohlhabenden Länder für ihren Lebensstil nach wie vor wesentliche Strukturen des Kolonialismus nutzen. Diese „imperiale Lebensweise“ sei maßgeblich verantwortlich für globale Ungerechtigkeit und Klimawandel. Angesichts der Dramatik des Klimawandels gehe es um eine rasche „Transformation der Gesellschaft“ für „das sichere Überleben der Menschheit“, nicht mehr nur um „ein bisschen mehr Naturschutz“. Schonungslos erklärte Singer-Brodowski, dass nachhaltiges Handeln hierzulande eindeutig mit dem „Verzicht auf Luxusgüter und gewohnte Bequemlichkeiten“ einhergehe.
Die Chance für unsere Gesellschaft und jeden Einzelnen bestehe darin, Wohlstand anders als bisher zu definieren nach der Devise: „Was macht ein gutes Leben aus?“ Zahlreiche Studien ergaben eine „tiefe Hoffnungslosigkeit“ der Schüler in Bezug auf die globale Zukunft, so Singer-Brodowski. Dringend nötig sei daher eine „kollektive Selbstwirksamkeitserfahrung“: Wirksame Strukturen von Mitbestimmung und Mitverantwortung in der Schule seien neben entsprechenden Unterrichtsinhalten essentielle Voraussetzungen für erfolgreiche BNE.
Mit Blick auf den beginnenden Beteiligungsprozess für die BNE-Konzeption mahnte Singer-Brodowski eine „Kommunikation auf Augenhöhe“ und den Einbezug der örtlichen Wirtschaft an. Wertvolle Anregungen könne man etwa aus Hamburg mitnehmen, wo die Entwicklung schon weiter fortgeschritten sei. Das Beispiel Gelsenkirchens zeige wiederum, dass hohe Qualität auch mit verhältnismäßig geringem Budget machbar ist.
In den anschließenden Arbeitskreisen zu allen Bildungsbereichen (berufliche Bildung, Erwachsenenbildung, Schule, Hochschule, frühkindliche Bildung, non-formale Kinder- und Jugendbildung, Verwaltung) konnten die Teilnehmer Erfahrungen austauschen und erste Ansätze zur Einbettung von BNE in das Münchner Bildungswesen erarbeiten.
Arbeitskreis „Schule“ formiert sich
Die Arbeitskreise wurden von sogenannten Patinnen geleitet. Was den Arbeitskreis „Schule“ betrifft, so leiteten diesen die Patinnen Elke Gaber aus dem Referat für Bildung und Sport (Geschäftsbereich „Allgemeinbildende Schulen“) mit der Schulentwicklung als einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit und Christiane Klimsa aus dem Bereich Ernährungsbildung und Verpflegung. Entsprechend der fünf Handlungsfelder (BNE als Aufgabe des Bildungswesens; Lehr- und pädagogische Fachkräfteausbildung für eine nachhaltige Entwicklung; Lernort/Sozialraum, Kooperation und BNE; Strukturelle Verankerung von BNE in Lehr- und Bildungsplänen und Partizipation und BNE) gingen die Teilnehmer des Arbeitskreises „Schule“ nach einer kurzen Vorstellungsrunde, aus der hervorging, was für eine großartige Expertise quer durch die Münchener Bildungslandschaft im Raum anwesend ist, daran, anhand von im Raum verteilten Leitfragen an fünf Stationen ihre Vorstellungen von BNE im Schulwesen einzubringen.
Bei den fünf Leitfragen ging es um die Bestandsaufnahme von bereits laufenden Referenzprojekten an den Schulen, die Akteursanalyse (Wer soll in der Erarbeitungsphase mitwirken?), konkrete Handlungsfelder/Projekte (Welche Projekte können helfen BNE zu verankern?), Ziele/Etappenziele um BNE zu fixieren und Visionen (Was ist die Vision für BNE im Jahr 2030? Was ist dann alles anders?). In Gruppen aufgeteilt durchwanderten die Teilnehmer des Arbeitskreises „Schule“ mit Stiften bewaffnet den Raum, um ihr Wissen und ihre Ideen in Form von Klebeblättern, die unter die Leitfragenplakate geklebt wurden, darzulegen. Am Ende konnten die Ergebnisse mit Klebepunkten evaluiert werden, was es AK-Patin Elke Gabler erleichterte die Anliegen der Teilnehmer zu priorisieren und die wichtigsten Punkte zusammenzufassen.
Was sind nun konkrete Empfehlungen für den Prozess der BNE? Der Stadtrat müsse darüber entscheiden und Priorisierungen vornehmen. Die Teilnehmer forderten konkrete Aussagen dazu, warum das eine Anliegen umgesetzt werden könne, ein anderes aber unter Umständen nicht. Die Gesprächsgrundlage müsse aus den Ergebnissen des Arbeitskreises erwachsen und zu einer Partizipation bei der Beschlussvorlage führen. In der Zeit bis 2020 solle man nicht in der Theorie verharren, sondern bereits eine Bestandsaufnahme an den Schulen durchführen und bereits laufende BNE-Projekte weiterführen. Weiterhin sollten sich die Leitungen aller sieben Arbeitskreise abstimmen, was zu einer strukturellen Zusammenarbeit zwischen den Arbeitskreisen führen solle. Die Stadtschulrätin Beatrix Zurek und die Referentin für Gesundheit und Umwelt, Stephanie Jacobs, sollen in den Entwicklungsprozess permanent mit eingebunden werden. Eine Zwischenmeldung Ende 2020 reiche dabei nicht aus. Es solle Transparenz über das zur Verfügung stehende Budget geben. Konkrete Konzeptpapiere sollen der Stadtschulrätin Beatrix Zurek kommuniziert werden und es solle eine Transparenz über das Ergebnis des partizipativen Prozesses hergestellt werden. Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im MLLV, forderte zum Schluss der Arbeit des Arbeitskreises „Schule“, dass die Verwaltung die Umsetzbarkeit von Visionen zeitnah prüfen müsse. Handlungsspielräume und deren Grenzen seien zu klären, um die Arbeit im Arbeitskreis effizient zu gestalten.
AK-Patin Elke Gaber resümierte, dass somit nicht nur Empfehlungen, sondern bereits konkrete Forderungen entstanden seien. Alle Mitwirkenden wurden eingeladen, die erarbeiteten Ansätze in weiteren Sitzungen auszuarbeiten. Der MLLV wird sich selbstverständlich einbringen. Gleiches gilt auch für den Arbeitskreis „Frühkindliche Bildung“, in dem die MLLV-Fachgruppe SuE mitwirkt.
Am Ende der Gesamtveranstaltung wurden noch die erarbeiteten Empfehlungen und Forderungen im Plenum vorgestellt. Immer wieder wurden hier die für BNE zur Verfügung stehenden Ressourcen als wichtiges Kriterium bei der Umsetzung angesprochen. Außerdem wurden wiederum die strukturelle Zusammenarbeit der Arbeitskreise und ein aktives Mitspracherecht der Arbeitskreise bei der Implementierung von BNE gefordert: Es solle ein tatsächlich partizipatorischer Prozess sein. Auch die notwendige Transparenz kam immer wieder zur Sprache. Stadtrat und Verwaltung müssten bei der Umsetzung an einem Strang ziehen. Projektsteckbriefe sollten entstehen, sodass man einen Überblick darüber erhalte, was in Sachen BNE möglicherweise bereits an den Schulen läuft und was an andere Schulen weitergegeben werden kann. Auch die Kinder und Jugendlichen sollen in den Prozess der Implementierung von BNE eingebunden werden. Zum Schluss gab es noch einen Ausblick. Im Dezember oder Januar soll es zum nächsten gemeinsamen Treffen der Arbeitskreise kommen. Themen sind das Grundverständnis von BNE und in welcher Form erste Ansätze von BNE bereits an Schulen angeschoben oder umgesetzt werden. Die sehr gelungene Veranstaltung klang bei Getränken und einem Imbiss in munterem Beisammensein aus.
Martin Göb-Fuchsberger, Andre Grenzebach
Kommentar
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...
Die Auftaktveranstaltung zur Münchner BNE-Konzeption war zweifellos sehr beeindruckend. Hut ab vor der perfekten Organisation und Moderation durch die beiden Referate und vor dem enormen Engagement, das die zahlreichen Akteure und vor allem die ehrenamtlichen Teilnehmer bewiesen!
Gemeinsam kann hier viel Gutes entstehen – und das muss es auch. Am Ende wird der Erfolg der Konzeption darin gemessen werden, ob BNE viel intensiver als bisher bei allen Lernenden „ankommt“ und wir als Stadtgesellschaft schon in wenigen Jahren unsere Verantwortung tatsächlich leben oder nicht.
Die Deutsche UNESCO Kommission (DUK) und das Bundesministerium für Bildung und Forschung sehen die Landeshauptstadt München hier auf einem beispielhaften Weg und haben die Stadt v. a. dafür im Rahmen der letzten Agenda2030-Konferenz des Nationalen Aktionsplans BNE in Berlin mit dem höchsten Preis in der Kategorie Kommunen ausgezeichnet.
Die Expertise der Akteure kann wesentlich zu einem Erfolg der Münchner Konzeption beitragen. Es stimmt zuversichtlich, dass die Beteiligung anders als etwa beim „Bildungscampus Freiham“ – wir erinnern uns – frühzeitig begonnen hat und durch den Stadtratsbeschluss abgesichert ist. Nun kommt es darauf an, dass die weitere Entwicklung und vor allem die Beschlussvorlage für den Stadtrat als Endergebnis der gemeinsamen Arbeit wesentlich die Handschrift der Akteure trägt. Diverse mahnende Äußerungen von Teilnehmern in den Workshops und zum Abschluss der Auftaktveranstaltung zeigen, dass RGU und RBS bei diesem Projekt die Möglichkeit haben, Vertrauen durch konsequente „Augenhöhe“ zurückzugewinnen.
Martin Göb-Fuchsberger