Bildung für nachhaltige Entwicklung an Münchner Schulen
Stadtschulrätin Beatrix Zurek: „das Zukunftsthema“ Unsere Kinder und Jugendlichen wachsen in einer Gesellschaft auf, die vielfach alles andere als einen nachhaltigen Lebensstil vorlebt. Umso wichtiger ist es, sie zu zukunftsfähigem Denken zu befähigen und verantwortliches Handeln einzuüben. Genau das ist das Ziel der UNESCO-Initiative „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (kurz: BNE). Derzeit bereiten die städtischen Referate ein Konzept vor, das die Umsetzung von BNE in München unterstützen soll.
MLZ: Zum Thema „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) fanden in München in letzter Zeit zwei zentrale Veranstaltungen statt, zum einen die 7. Münchner Bildungskonferenz (2017) und ein „Stadtrats-Hearing“ im vergangenen September. Welche Impulse haben diese Veranstaltungen setzen können?
Zurek: Zunächst einmal freut es mich, dass beide Veranstaltungen so gut besucht waren und viele BNE-Akteure mit anderen Bildungsakteuren und der Politik zusammenkamen. Das zeigt, dass Nachhaltigkeit von Vielen als das Zukunftsthema angesehen wird und dass Bildung der Schlüssel zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist. „BNE“ ist als Begriff noch relativ neu. Daher war es unser Anliegen, das Thema zu verbreiten und zudem zu zeigen, welch tolle BNE-Projekte wir in München bereits haben. Ich glaube, wir konnten auf den Veranstaltungen außerdem zeigen, dass es bei BNE nicht nur um Natur- und Umweltbildung geht, sondern auch um soziale Themen und darum, dass wir Kompetenzen und Werte vermitteln können, die die Entscheiderinnen und Entscheider von morgen zu zukunftsfähigen Entscheidungen befähigen können.
MLZ: In Ihrem Statement beim Hearing betonten Sie die Notwendigkeit der Bildung für nachhaltige Entwicklung: Allein der „ökologische Fußabdruck“ Münchens sei derzeit dreimal so groß wie global verträglich, die Ressourcen eines ganzen Jahres seien bereits am ersten August aufgebraucht. Deshalb forderten Sie ein „verändertes Mobilitäts- und Konsum-, aber auch Freizeitverhalten“ der Münchner als notwendiges Ziel der BNE. Wie kann Ihrer Meinung nach nicht nur das nötige Wissen vermittelt, sondern auch die Bereitschaft geschaffen werden, selbst auf viele bequeme und vermeintlich selbstverständliche Lebensformen zu verzichten?
Zurek: Indem wir zeigen, dass es eben nicht um Verzicht, sondern um gute Lebensqualität für uns und andere geht. Wir sollten nachhaltige Lebensstile nicht mit Verzicht, sondern mit Genuss, gesundem Leben und Lebensfreude in Verbindung bringen. Wir können niemandem einen nachhaltigen Lebensstil vorschreiben, aber wir können Werte vermitteln, die zeigen, dass eine nachhaltige Stadt und ein ressourcenschonendes Handeln erstrebenswert sind.
MLZ: Gemessen an der Dringlichkeit scheinen die Uhren in München unendlich langsam zu ticken: Es dauert fast anderthalb Jahre, bis RGU und RBS die Vorlage für einen Stadtratsbeschluss erstellt haben, der wiederum nur der „Startschuss“ zur Erarbeitung der Münchner BNE-Konzeption sein wird. Warum dauert das alles so lange?
Zurek: Ich gebe Ihnen Recht, dass wir angesichts der Bedeutung des Themas keine Zeit verlieren dürfen. Zum Glück starten wir mit der Erarbeitung der BNE-Konzeption nicht bei Null. Dass die Beschlussvorlage dem Stadtrat noch nicht vorgelegt wurde, liegt unter anderem an den haushaltsbedingten Abläufen, die wir auch bei diesem wichtigen Thema nicht übergehen können.
MLZ: Beim Hearing stellte ein Hamburger Referent den Entwurf der dortigen BNE-Konzeption vor. Macht es wirklich Sinn, überall das Rad neu zu erfinden und Ressourcen dafür zu binden?
Zurek: Wir werden das Rad nicht ganz neu erfinden. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Thema bearbeiten, sind bundesweit mit vielen Kommunen im Austausch. Daher können Sie sicher sein, dass sie dadurch viele Erfahrungen, die in Hamburg und anderswo gemacht werden, in den Münchner Prozess einfließen lassen. Allerdings ist auch klar, dass die Situation in jeder Kommune anders ist. Während Hamburg als Stadtstaat viel mehr Möglichkeiten hat, haben andere Kommunen, anders als München, keine städtischen Schulen und Kitas und damit deutlich weniger Einflussmöglichkeiten. Außerdem gibt es überall unterschiedliche Partner wie beispielsweise freie Bildungsträger, Umwelt- und Eine-Welt-Initiativen, Museen und Unternehmen. Es nützt uns daher nicht, einfach ein Konzept aus einer anderen Stadt zu übernehmen und den Akteuren vorzusetzen. Gemeinsam muss ein Konzept ausgearbeitet werden, das den Herausforderungen und Bedürfnissen in München gerecht wird.
MLZ: Beim Hearing war auch der Fachliche Leiter des Staatlichen Schulamts, Anton Zenz anwesend,. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit von Stadt und Staat in Sachen BNE?
Zurek: Der Staat hat entscheidenden Einfluss auf Lehrpläne und die staatlichen Schulen. Um BNE flächendeckend in die Bildungseinrichtungen zu integrieren, bedarf es daher einer guten Zusammenarbeit zwischen Stadt und Staat. Der Grundgedanke des Kommunalen Bildungsmanagements ist ja, Verantwortungsgemeinschaften zu bilden, wie wir es in anderen Bereichen bereits praktizieren.
MLZ: Welche Schritte stehen nun aus Ihrer Sicht an?
Beatrix Zurek: Wenn uns der Stadtrat mit der Erstellung einer BNE-Konzeption beauftragt, braucht es zuerst ein systematisches, strukturiertes Vorgehen, um unter Einbeziehung der BNE-Akteure ein Konzept zu erarbeiten, das vorgibt, wie wir BNE möglichst schnell in allen Bildungsbereichen verankern können. Zudem ist wichtig, dass wir schon während der Ausarbeitung dieser Strategie vorhandene Projekte ausbauen und gleichzeitig bereits neue Projekte und Verbesserungen auf den Weg bringen – sei es durch die Schulung von Lehrkräfte-Teams städtischer Schulen oder durch die Unterstützung von Schulgarten- oder Abfallvermeidungs-Projekten.
MLZ: Was empfehlen Sie Münchner Schulen, die sich auf den Weg machen möchten um Bildung für nachhaltige Entwicklung nachhaltig zu fördern?
Beatrix Zurek: An den allermeisten Schulen gibt es schon hervorragende BNE-Ansätze und die Inhalte von BNE lassen sich sehr gut in den Lehrplan integrieren. Es geht bei BNE darum, wie die Themen vermittelt werden. Und natürlich ist es auch wichtig, Nachhaltigkeit nicht nur zu thematisieren, sondern auch vorzuleben. Das ist beispielsweise bei der Mülltrennung oder beim Energieverbrauch nicht immer leicht, aber es lohnt sich, hier Verbesserungen anzustreben. Wir möchten die Schulen nicht alleine lassen und sie in den nächsten Jahren noch mehr unterstützen. Schon heute können sich Schulen beispielsweise an das Pädagogische Institut wenden, um Fortbildungen und Workshops für Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler zu buchen. Darüber hinaus gibt es viele Ansätze, sich dem Thema BNE zu nähern: Machen Sie BNE zum Schwerpunkt in der Schulentwicklung oder setzen Sie auf Partizipation. Beziehen Sie Schülerinnen und Schüler ein, um Verbesserungen im Nachhaltigkeitsbereich zu erzielen – mit Wahlfächern oder durch die Benennung von Klassenumweltbeauftragten. Damit sammeln einige Einrichtungen seit Jahren gute Erfahrungen.
MLZ: Herzlichen Dank für dieses Interview und viel Erfolg auf dem weiteren Weg! Das Interview führte Martin Göb-Fuchsberger, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im MLLV.