Streikverbot für Beamte
DIENSTRECHT UND BESOLDUNG | Streikverbot für Beamte verfassungsgemäß – auch für Lehrkräfte!
Bundesverfassungsgericht weist vier Verfassungsbeschwerden verbeamteter Lehrkräfte zurück
Vier verbeamtete Lehrkräfte aus drei Bundesländern, die während der Dienstzeit an Protestveranstaltungen bzw. Streikaktionen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenshaft teilnahmen, hielten daraus resultierende Disziplinarmaßnahmen für nicht rechtens. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des EUGMR – Fälle aus der Türkei - zu Art. 11 EMRK [siehe Kasten] klagten sie, unterstützt durch ihre Gewerkschaft, erfolglos durch die Instanzen und reichten letztlich Verfassungsbeschwerden gegen das Streikverbot für Beamte ein.
Mit Urteil vom 12.Juni 2018 wies das Bundesverfassungsgericht diese Beschwerden zurück.
Zwar stelle ein Unterstützungsstreik ein ergänzendes Element der Koalitionsfreiheit (Art. 11 Abs. 1 EMRK) dar, die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit sei jedoch durch hinreichend gewichtige, verfassungsrechtlich geschützte Belange gerechtfertigt, begründet das Bundesverfassungsgericht zusammenfassend die Zurückweisung.
- Das Streikverbot für Beamte stellt einen eigenständigen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art.33 Abs. 5 GG dar.
- Ein Streikrecht, auch nur für Teile der Beamtenschaft, griffe in den grundgesetzlich gewährleisteten Kernbestand von Strukturprinzipien ein und gestaltete die Regelungen (Alimentationsprinzip, Lebenszeitprinzip) des Beamtenverhältnisses grundlegend um.
- Das Streikverbot führt nicht zu einem vollständigen Zurücktreten der Koalitionsfreiheit, namentlich Spitzenorganisationen der Gewerkschaften haben Beteiligungsrechte bei der Vorbereitung gesetzlicher Regelungen der beamtenrechtlichen Verhältnisse.
- Ein weiteres Element der Kompensation (für das Streikrecht) ergibt sich aus dem beamtenrechtlichen Alimentationsprinzip, das Beamten ein grundrechtsgleiches einklagbares Recht auf Erfüllung der staatlichen Alimentationspflichten einräumt.
- Änderungen im System der aufeinander bezogenen Rechte und Pflichten auf der einen Seite zeitigen Änderungen auf der anderen. Ein „Rosinenpicken“ lässt das Beamtenrecht nicht zu.
- Die konkordante Zuordnung von Koalitionsfreiheit und hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums verlangt nicht, das Streikverbot auf hoheitsrechtliche Befugnisse zu beschränken.
- Das Streikverbot ist wegen der Besonderheiten des deutschen Systems des Berufsbeamtentums auch nach Art. 11 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt, der Kernbereich der Gewährleistungen des Art. 11 Abs. 1 ist nicht betroffen.
- Bei der Interessenabwägung ist das Recht auf Bildung, einem durch verschiedene völkerrechtliche Verträge verankerten Menschenrecht, einzustellen.
- Verbeamtete Lehrkräfte sind dem Bereich der Staatsverwaltung zuzuordnen, was vor dem Hintergrund des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwerts des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags Einschränkungen rechtfertigt.
Diese „Zusammenfassung“ der 69seitigen Urteilsbegründung ist zwangsläufig rudimentär.
Kommentar
Rosinen und Menschenrechte
Selbstverständlich gehört es zu unserer Demokratie und jedermanns Recht, gegen vermeintliches Unrecht auch bis nach Karlsruhe zu klagen, selbst wenn das wider Logik und Vernunft ist, wie in diesem Fall. „Das ist ein schwarzer Tag für Demokratie und Menschenrechte“ kommentierte die GEW-Vorsitzende in einer Pressemitteilung das entsprechend ausgefallene Urteil. Dem Bundesverfassungsgericht damit indirekt vorzuwerfen, mit dem Urteil Demokratie und Menschenrechte - ein vermeintliches Menschenrecht auf Streik - nicht angemessen zu beachten, ist allerdings dreist.
Die Gewerkschaft, die immerhin den Begriff „Erziehung“ in Ihrem Namen hat, verkennt zudem, dass das unstrittig als Menschenrecht geltende Recht auf Bildung einer von Streikmaßnahmen unbeeinträchtigten Aufgabenerfüllung durch Lehrkräfte an öffentlichen Schulen bedarf. Wenn in der Abwägung dieser Rechte der stabilen Aufgabenerfüllung der Vorrang gegeben wird, dafür zur Kompensation für das Streikrecht den verbeamteten Lehrkräften eine lebenslange einklagbare Alimentation und Versorgung zuerkannt wird, verbunden mit einem schon nach der Probezeit gesicherten Dienstverhältnisses, ist das ebenso logisch wie vernünftig.
Sowohl die Rechte von Arbeitnehmern (Streikrecht), als auch die besonderen Rechte von Beamten (oft als „Privilegien“ diffamiert) zu bekommen, wurde schon vom damaligen Innenminister bei der Anhörung im Verfahren als „Rosinenpickerei“ bezeichnet und vom Bundesverfassungsgericht in der Urteilsbegründung wieder aufgegriffen.
Oswald Hofmann Abteilung Dienstrecht und Besoldung