DER FÖRDERSCHULTAG 2018

FG FÖRDERSCHULE | Förderschultag April 2018

Bei schönstem Wetter konnte Helga Gotthart, 2. Vorsitzende des BLLV Oberbayern, am Samstag 28. April 2018 den 4. Förderschultag des MLLV/BLLV-Oberbayern eröffnen, der sich in zweijährigem Turnus mit aktuellen sonderpädagogischen Themen auseinandersetzt. Ca. 70 Teilnehmer/innen hatten den Weg in das Sonderpädagogische Förderzentrum „Hachinger Tal Schule“ gefunden, das den Förderschultag in diesem Jahr „aufgenommen“ hatte. Ein großer Dank wurde deshalb an die Schulleiterin Frau Beermann und das hervorragende Service-Team der Schule ausgedrückt, die die Vorbereitungen freundlich und kompetent unterstützt haben.

Die Zuhörer/innen wurden dann durch die Fachgruppenleitungen Förderschulen Ulli Girardet (MLLV) und Andreas Mross (BLLV-Oberbayern) in die Thematik des Förderschultags eingeführt.

Soundfield-Anlage

Doch zunächst wurde noch die Soundfield-Anlage der Firma Phonak vorgestellt. Ziel dieser akustischen Anlage ist es, ein unangestrengtes Zuhören zu ermöglichen. Die Lehrkraft trägt ein Mikro um den Hals, für die Schüler gibt es Handmikrophone. Die Anlage besteht aus einem schmalen Lautsprecherturm, dem Mikro und zwei Handmikrophonen. Die Zuhörer/innen konnten sich beim anschließenden Hauptvortrag dann sofort einen Eindruck bilden, wie angenehm es ist, ohne Anstrengung dem Vortrag folgen zu können. Das noch wichtigere (sonderpädagogische) Anliegen ist es jedoch, Kindern, die aus verschiedenen Gründen Schwierigkeiten beim Zuhören haben, bessere Möglichkeiten zum Aufnehmen der Unterrichtsinhalte zu bieten. Zusätzlich entlastet diese mobile Anlage auch die Lehrkräfte in ihrem sprachlichen Kraftaufwand, insbesondere in akustisch ungünstigen Klassenzimmern oder in großen Klassen.

Frühes Leid – Depressionen im Kindes- und Jugendalter

Der Hauptvortrag widmete sich der Thematik „Frühes Leid – Depressionen im Kindes- und Jugendalter – Emotionale Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen“. Dr. Michael Frey, Oberarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum der Universität München in der Nußbaumstraße, erläuterte, wie diese psychiatrische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter definiert ist und behandelt werden kann.

Was kann die Schule tun?

Oft ergeben sich gerade in der Schule die ersten Hinweise:

- Leistungsabfall

- Probleme im sozialen Umfeld, z.B. immer weniger Freunde und sozialer Rückzug

- Veränderungen im Verhalten, z.B. eine bedrückte, traurige Stimmung und Antriebslosigkeit

Positiv kann sich die Schule durch ein mögliches Vertrauensverhältnis, sowie durch Klärung der schulischen Perspektiven der Kinder und Jugendlichen einbringen und ggfs. durch zeitweise Notenaussetzung und Notenschutz intervenieren. Gespräche können den Schüler/innen das Gefühl vermitteln, dass ihre schwierige Lage gesehen wird, diese jedoch auch besprochen und verändert werden kann. Als psychische Erkrankung werden Depressionen sowohl ambulant als auch stationär behandelt, eine Unterstützung bei der Rückführung der Kinder und Jugendlichen in die Normalität des Schulalltags ist dabei besonders wichtig.

Kinder und Jugendliche leiden viel häufiger unter Depressionen als angenommen. Weltweit werden 2,5 % der depressiven Erkrankungen in diesem Alter angenommen. Sie liegen nach Angststörungen, externalisierenden Störungen, ADHS / ADS auf Platz 4 in der Häufigkeit. Die Krankheitsanzeichen sind oft unspezifisch und je nach Alter verschieden: Der Anteil liegt bei jüngeren Kindern bei 1%, bei Schulkindern bei 2-3% und bei Jugendlichen bei 5 -16%. Bei jüngeren Kindern ist die Beobachtung von Spiel-, Ess- und Schlafverhalten sehr wichtig. Je älter ein Kind wird, desto deutlicher treten die depressiven Symptome in den Vordergrund und ähneln denen der Erwachsenen. Depressive Erkrankungen beginnen oft im Jugendalter und manifestieren sich dann im Verlauf des Erwachsenenlebens.

Um als Depression diagnostiziert zu werden, müssen typische Symptome mindestens zwei Wochen anhalten. Diese sind nach ICD 10: gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit, verminderter Antrieb und auch vermindertes Selbstwertgefühl. Beim letzten Punkt zeigt sich ggfs. die Abgrenzung zu einer „echten“ Trauersituation; denn hier besteht im Allgemeinen kein Problem mit dem Selbstwertgefühl. Eine andere Abgrenzung ist beim Symptom Appetitlosigkeit zu treffen, hier muss eventuell zwischen Depression und Magersucht abgeklärt werden.

Wie können Depressionen behandelt werden?

Die Therapie an der Klinik ist multimodal ausgerichtet:

  • Elternarbeit
  • Verhaltenstherapie oder - psychotherapeutische Behandlung
  • 45 % der Kinder und Jugendlichen erhalten Medikamente
  • Stationäre Aufnahme (bringt insbesondere bei Jugendlichen oft eine deutliche Entlastung)
  • In der Regel aber meist ambulante Behandlung

Dr. Frey ermutigte, Medikamente nicht vorschnell abzulehnen, da bei diesen Medikamenten durch die langsame Wirkungsentfaltung keine Abhängigkeitsgefahr besteht. Gut gesichert sind positive Ergebnisse in der Verhaltenstherapie. Die Patienten lernen, sich selbst messbare Ziele zu setzen, erlangen ein Wissen über ihre Krankheit, verbessern mit Unterstützung ihre sozialen Beziehungen. Weitere Punkte sind eine kognitive Umstrukturierung, z. B. nicht immer in „Schwarz-weiß-Denken“ zu verhaften oder alles als eigenen Fehler zu betrachten. Wichtig ist auch „voreiliges Schlussfolgern“ abzubauen und damit Denkfehler zu vermeiden.

Für die vielen Fragen der Teilnehmer/innen nahm sich der Referent ausgiebig Zeit. Insbesondere Handlungsmöglichkeiten, wenn Schüler Selbstmordabsichten äußern, wurden ausführlich besprochen. Mögliche Ansprechpartner (Schulpsycholog/innen, Kriseninterventionsteam, Kliniken, Polizei) und deren besondere Aufgaben und verschiedene Szenarien und Ablaufschemen wurden vorgestellt.

Nach dem intensiven Vortrag konnten sich die Teilnehmerinnen bei schönstem Sonnenschein und einem ausgezeichneten Büfett zur Mittagspause in den Schulhof begeben oder sich einen Überblick über neue Lernmaterialien in der Medien- und Verlagsausstellung bilden.

Workshops am Nachmittag

Die Nachmittagsworkshops widmeten sich unterschiedlichen Themen und konnten in einer intensiven und persönlichen Atmosphäre den speziellen Interessen der Zuhörer/innen nachgehen und ihnen Anregungen und Ideen weitergeben. In Fortführung der Thematik des Vormittags auf Seiten der Lehrkräfte stellte die systemische Beraterin Adele Brucks ihr Programm gegen Burnout „Burnout - nicht mit mir!“ ganz konkret vor. Die Schulpsychologin Dr. Eszter Jokay vermittelte in ihrem Workshop „Classroom management“ klare und vielfältige verhaltensmodifikatorische Strategien, um Störungen des Unterrichts zu vermeiden oder zu verringern.

Vincent Gittel stellte das Programm „Lubo aus dem All“ vor. Das Programm zur Förderung sozial-emotionaler Kompetenz ist für den Vorschulbereich, sowie für die 1./2. Klasse konzipiert und soll dazu beitragen, Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen. In den 30 Grundeinheiten können die Kinder „Lubo“ helfen, sich auf der Erde richtig zu verhalten und hier wichtige Zusammenhänge zu verstehen. Auch die weiteren Themen wie „Autismus-Spektrum-Störungen“ (Matthias Sauermann), „Konzentrationsförderung in der Klasse und im MSD“ (Elke Drescher), „Kooperative Lernformen“ (Anke Keller), „Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen“ (Dr. Andreas Vonier) und „ZuHörspiele für alle Fächer“ (Judith Schönicke vom BR) stießen auf großes Interesse. Ein wichtiges Thema bot Kilian Spindler mit seinem Workshop „Unterwegs im Netz? Ja, aber sicher!“ an.

Die Skripten zu den Vorträgen und Workshops wurden den Teilnehmer/innen wieder zum Download bereitgestellt.

Das Organisationsteam des Förderschultags freute sich am Ende der Veranstaltung über die sehr positiven Rückmeldungen auf der Feed-back-Tafel. Und Schulleiterin Frau Beermann konnte sich vorstellen, ihre schöne Schule auch in zwei Jahren, also 2020, für den nächsten Förderschultag wieder zur Verfügung zu stellen.

Cornelia Jäger-Lenz und Ulli Girardet