Fachtagung HaBiFo

Ernährungs- und Verbraucherbildung in Zeiten von Moden, Mythen, Moral, Medien und Macht

Vom 23. Februar bis zum 24. Februar 2018 beleuchteten Expertinnen und Experten aus Österreich, der Schweiz und Deutschland den Bereich Ernährungs- und Verbraucherbildung (EVB) von unterschiedlichen Seiten. Die Wichtigkeit einer solchen Fachveranstaltung in der heutigen Zeit betonte Frau Prof. Dr. Kirsten Schlegel-Matthies, die HaBiFo-Vorsitzende (Haushalt in Bildung und Forschung e.V.) und leitete die internationale D-A-CH-Tagung in München mit den Worten „Die alte Dame Hauswirtschaft ist nicht tot, sie lebt als junge Dame EVB weiter und ist wichtiger denn je angesichts von Mythen, Märchen und alternativen Fakten“ ein.

Hoch interessante Vorträge sorgten - teils auch bewusst – für provokative Diskussionen:

Prof. Dr. Birgit Peuker von der Europa-Universität referierte zum Thema „Das eklektische Verbraucherverhalten – einen Verbrauchertypus neu denken?“. Bei diesem Ansatz geht man von einem „Sowohl-als-auch-Verbraucherverhalten“ aus. Der Verbraucher passt seine eigene Lebensführung an bestehende Idealkonzepte in der Gesellschaft an. Solch ein Verhalten hat dementsprechend Auswirkungen auf die praktische und theoretische Verbraucherbildung und seine Forschung. Ideale Vorstellungen von Ernährung und Fitness sind nicht längerfristig in den Alltag einzubauen, sondern nur situativ. Ergebnisse, wie das stetig wachsende Interesse der Deutschen sich flexitarisch zu ernähren oder die immer zunehmende Bedeutung von Functional Food zeigen, dass Lernsituationen für die Schulpraxis geschaffen werden sollen. Unter anderem ist es notwendig, Fachpraxisräume auszubauen, mehr Lernzeit für alle zur Verfügung zu stellen und eine Stundenkürzung von Fachlehrern zu verhindern.

Anschließend folgte ein Vortrag der Ernährungswissenschaftlerin Christine Röger vom Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) in Freising. Frau Röger machte deutlich, wie groß die Bedeutung von gesundem Essen in unserer Gesellschaft ist und dass Ernährungstrends immer mehr zunehmen und vielfältiger werden. Geschickt entwickeln Autoren von Beststellern wie „Wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört“ von Perlmutter und Loberg solche Trends und lassen sie zu einem Bestandteil unserer Gesellschaft werden. Frau Röger bemüht sich durch eine wissenschaftliche Herangehensweise bei solchen Themen Klarheit hineinzubringen und die Wahrheit in den Mittelpunkt zu stellen. Durch Ihren Vortrag ist dies durchaus gelungen! Waltraud Lucic nutzte hier die Situation, um Forderungen an die Anwesenden weiter zu geben: „…man solle sich systematisch einsetzen, um eine Projektitis zu verhindern. Der Schwerpunkt sollte darin liegen, Raum und Zeit zur Verfügung zu stellen, um ein Vorhaben in die Tat umzusetzen.“

Frau Dr. Maya Götz vom Internationalen Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München setzte anschließend die Vortragsreihe fort. Sie zeigte an aktuellen Beispielen, wie der Fernsehshow „Germany‘s next Topmodel“ oder der Gestaltung von Comicfiguren, welche Bedeutung Medien für das Körperbild von Mädchen haben. Dargestellte Umfragen bestätigen die kritische Sicht auf den eigenen Körper. Diese Auswirkungen stellen ebenfalls Herausforderungen für die Schulpraxis und alle Beteiligten.

Der Staatssekretär Herr Georg Eisenreich vom Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultur, Wissenschaft und Kunst schloss die Vortragsreihe ab, indem er noch einmal die Aufgabe der Schule und die Bildungsziele in Bayern verdeutlichte und aufzeigte, welchen hohen Stellenwert diese in der Verbraucherbildung haben. Die hohe Wertschätzung, die der Staatssekretär den Fachlehrerinnen und den von ihnen vermittelnden Fachbereich entgegenbrachte, begünstigt die kommenden Gespräche mit den Überlegungen zur Steigerung der Attraktivität des Fachlehrerberufes. Bayern ist das einzige Land in der D-A-CH-Gemeinschaft (Deutschland, Österreich, Schweiz), in dem die Fachbereiche Ernährung, Konsum, Nachhaltigkeit, Verbraucherverhalten, Gesundheit und Lebensführung nicht universitär gelehrt werden.

Die Präsidentin des BLLV Simone Fleischmann beendete den Vormittag mit einem Grußwort. Frau Fleischmann verdeutlichte die breite Vielfalt der Themen und welche Herausforderungen mitschwingen, die ein bildungspolitisches Umdenken notwendig machen. Es ist erforderlich, dass alle drei Ministerien und der Verband zusammenarbeiten müssen, um Antworten darauf zu bekommen, was Schule leisten muss und kann. Die Dreier-Schirmherrschaft dieser Tagung setzt eine positive Grundlage für die kommenden Gespräche, die der BLLV/MLLV fordern und konstruktiv begleiten wird. Damit besteht die Möglichkeit den Fachlehrerinnen, die die Megathemen unserer Zeit vermitteln, die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen.

Der Nachmittag war mit vielschichtigen Themen gefüllt und am Samstag stand die Wirtschaft mit den Themen Nachhaltigkeit und Moral im Focus.

Jannis Engel vom Karlsruher Institut für Technologie stellte die Fragen: Welchen Einfluss haben Märkte auf das menschliche Verhalten? Beeinflussen sie unsere moralischen Entscheidungen? Wie rechtfertigen wir unethisches Kaufverhalten vor uns selbst? Mit Hilfe von Experimenten konnte festgestellt werden, dass sich eine Form des „Ablasses“ bildet. Z. B. entschuldigt moralisches Verhalten in der Vergangenheit unmoralisches in der Zukunft oder man kauft Bioschokolade und nimmt in Kauf, dass der Kakao mithilfe von Kindern angebaut wird.

Bei individuellen Entscheidungen steht die Moral im Vordergrund. Ganz anders sieht dies in der Gemeinschaft aus: „Geteilte Schuld ist halbe Schuld!“

Kennen Sie Urban Gardening-Projekte, Solidarische Landwirtschaft, Foodsharing oder Foodcoops? Irene Antoni-Komar von der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg zeigte auf wie Menschen in unterschiedlichen Projekten gemeinsam Gemüse anbauen und sich nachhaltig versorgen. Eine Antwort auf den gesellschaftlichen Wandel? Diese Entwicklungen sind Antworten auf die Herausforderungen unserer auf anonymer Fremdversorgung und Überfluss basierenden Konsumgesellschaft. Diese Menschen stellen sich gegen die mächtigen Ernährungsindustrien.

Eugenie Diede | Mitarbeiterin im Team der MLLV-Abteilung Berufswissenschaft

Fachtagung 2018 Terzo – von BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann kommentiert

Intro – Midtro – Outro – von Institutsrektor Werner Brandl organisiert

„Individualisierung, Pluralisierung, Globalisierung, Ökonomisierung, Digitalisierung sind nur ein paar der Schlagworte, mit denen das Leben in der Postmoderne gerne etikettiert wird – und in den existenziellen und essenziellen Bereichen Ernährung und Konsum als Problemstellung erkannt und von der Ernährungs- und Verbraucherbildung thematisiert werden. Die vielfältigen Befunde und Befindlichkeiten in der Frage der Alltagsbewältigung und Lebensgestaltung lassen nicht immer und unmittelbar eindeutige Lösungen erkennen, sind sie doch in ein Geflecht von Moden, Mythen, Moral, Medien, Macht... eingebunden. Diese Beziehungen und Bezüge aufzuzeigen und deren Einflüsse auf Denken und Handeln der Konsument*innen der Postmoderne aufzuklären – dazu will die trinationale D-A-CH-Fachtagung einen Beitrag leisten.“ Institutsrektor Werner

Brandl BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann legte ihre vorbereiteten Grußworte auf die Seite. „Was ich in den letzten Stunden erlebt habe: eine Breite an Themen, ein Tiefgang an Expertise und eine Vielfalt, die die Tagung aufzeigt, die mich ziemlich erschreckt. Es nimmt mir ein Stück weit die Luft. Die heutigen Themen sind an jedem Tag in, in jeder Schule stets präsent. So was Breites, so was Zentrales, dass wir im bildungspolitischen Bereich umdenken müssen.“

TERZO

Rätselfreunde kennen die Frage nach dem Zusammenschluss von drei Geschäftspersonen: Terzo Bei Kooperationspartnern und Staatsministerien handelt es sich zwar nicht um Geschäftspersonen, aber der Begriff Terzo trifft dennoch. Der große Themenpool Haushalts- und Lebensführung, Ernährung, Gesundheit und Verbraucherbildung, mit dem sich das Terzo beschäftigt, beinhaltet einige Rätsel und fordert Lösungen. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann formulierte beim Grußwort: „Ich bin keine Fachfrau in diesem Themenbereich. Ich habe vorher Riesenpanik geschoben, weil ich die ganzen Begriffe von dem Fragebogen teilweise nicht kannte.“

1. Terzo: HaBiFo und Stif und BLLV/MLLV

HaBiFo Haushalt in Bildung und Forschung steht für Kompetenzen in:

  • Haushalt: Expertise & Know-how in Grund- & Tagesfragen zu Haushalts- und Lebensführung, Ernährung, Gesundheit und Verbraucherbildung.
  • Forschung: Konzeption & Implementation innovativer & praxisrelevanter Perspektiven haushalts-, ernährungs- und gesundheitswissenschaftlicher Forschungsprojekte.
  • Bildung: Adaption & Integration relevanter wissenschaftlicher Ergebnisse & Erkenntnisse für Theorie & Praxis nachhaltiger haushalts-, ernährungs-, gesundheits- und verbraucherbezogener Bildungsprozesse.

Stif

Seit über 60 Jahren absolvieren Fachlehrer*innen ihre Ausbildung in einem wunderschönen, denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Pädagogischen Hochschule (jetzt Hochschule für angewandte Wissenschaften) am Stadtpark in München-Pasing.

Die Abteilung II des Staatsinstitutes für die Ausbildung von Fachlehrer*innen bietet folgende Ausbildungsgänge an:

  • 
Lehramt Ernährung und Gestaltung
  • Lehramt Sport und Kommunikationstechnik
  • Lehramt Englisch und Kommunikationstechnik
  • Lehramt Englisch und Sport

BLLV/MLLV

Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband ist mit 64 000 Mitgliedern der größte Verband.

Er setzt sich für Berufszufriedenheit, Bildungsgerechtigkeit und weniger Bürokratie ein. Seine Philosophie:

Lehrer*innen

  • bilden eine professionelle Berufsgemeinschaft
  • tragen eine besondere Verantwortung
  • brauchen Mut und Zivilcourage
  • brauchen Sicherheit
  • sind Experten in ihren Fächern und in Pädagogik

Um die Ideen des BLLV zu verwirklichen und die Serviceleistungen effektiv und nachhaltig zum Nutzen unserer Mitglieder umzusetzen, gibt es eine professionell arbeitende Landesgeschäftsstelle mit 35 hauptamtlichen Mitarbeitern, hunderte von ehrenamtlich engagierten Kolleginnen und Kollegen, ein Netz an 163 örtlichen Arbeitsstellen und neun Bezirksverbänden.

Der Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverband ist einer von 9 Bezirksverbänden, der als e. V. eigenständig ist. Er setzt sich für seine 4300 Mitglieder für eine Verbesserung der besonderen Situation in der Großstadt München ein. Mit seinen engagierten, ehrenamtlich arbeitenden Lehrkräften, seinem breiten Netzwerk und seiner neu gegründeten MLLV-Bildungsstiftung ist es ihm möglich, neue Konzepte zur Unterstützung der Lehr- und Erziehungskräfte anzustoßen, umzusetzen, zu evaluieren und dem Kultusministerium zur weiteren Fortführung zur Verfügung zu stellen.

Fleischmann: „Jetzt ist es meine Aufgabe als Präsidentin des größten und stärksten Lehrerverbands in Bayern ganz klar zu sagen, ich habe hier viel gelernt, ich nehme das mit. Bei Ihnen ist die Fachexpertise. Die haben wir auch. Ich habe den MLLV an meiner Seite.“

2. Terzo: Staatsministerien

Die Bayerischen Staatsministerien für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst, Umwelt und Verbraucherschutz, Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben mit der Kooperationsschirmherrschaft der Verbraucher-, Ernährungs- und Gesundheitsbildung den Stellenwert gegeben, den sie verdient ja eingefordert in Zeiten der immensen Bewegung und des Umbruchs.

Fleischmann: „Wir werden politisch handeln. Wir werden mit Ihnen weiterreden, Herr Eisenreich, das sind Sie ja schon gewöhnt, wenn wir zusammen irgendwo auftreten. Den Auftrag nehm ich von heute mit und dafür steh ich. Ich nehm die Expertise, wir setzen uns zusammen, gerne mit allen Ministerien, das ist ja was ganz Besonderes.

Wenn wir uns über Bildung Gedanken machen, müssen wir alles überdenken und überlegen, was ist denn zentral. Die Themen des Fachbereichs Hauswirtschaft sind Themen aus der Mitte der Gesellschaft.“

3. Terzo: Länder D-A-CH

Der EU-Aktionsplan „Ernährung und Gesundheit“ hat sich zum Ziel die Bildung für nachhaltige Entwicklung und die Entwicklung von Konsum‐ und Finanzkompetenz der zukünftigen Generationen gesetzt.

  1. Der deutschlandweite Verband HaBiFo (Haushalt in Bildung und Forschung) mit der Vorsitzenden Prof.*in Dr. Kirsten Schlegel-Matthies von der Universität Paderborn setzt sich für die Umsetzung ein.

  2. In Österreich hat diese Aufgabe das thematische Netzwerk Ernährung, mit ihrer Vorsitzenden Prof.*in Im Abu Zahra von der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich, übernommen.

  3. In der Schweiz steht der Verband Fachdidaktik Wirtschaft – Arbeit – Haushalt (FD-WAH.CH) mit der Prof.*in Käthi Theiler von der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz, die sich für die Bildung nachhaltiger Entwicklung und Entwicklung von Konsum- und Finanzkompetenz bei den Schüler*innen einsetzt.

Fleischmann: „Der BLLV/MLLV bedankt sich bei HaBiFo für die Kooperation auf Augenhöhe trotz unterschiedlicher Studienzugänge, den Perspektivenwechsel Dank professioneller Expertise und die Kraft des länderweiten Zusammenschlusses. Bei Werner Brandl, Institutsrektor und stellvertretender Leiter des Staatsinstituts zur Ausbildung von Fachlehrern bedanken wir uns für die hervorragende Organisation. Dank, Edeltraud Jornitz-Foth, für die Unterstützung.“

Waltraud Lučić