Der MLLV und das Bildungsnetzwerk München (BiNET) tauschen sich Mitte Oktober mit Schulbürgermeisterin Dietl zum Thema Deutschförderung aus. Mit ihren Sprachdefiziten allein gelassene Kinder sollen endlich mehr Unterstützung bekommen!

Im Sprachförderbereich fehlt es an Drittkräften – Die Volkshochschule als möglicher Rettungsanker?

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde eröffnet Waltraud Lučić, die MLLV-Vorsitzende, das Gespräch. Sie regt an, dass das den Schulen zur Verfügung gestellte Kontingent an Drittkräften (Personen zur Förderung neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher) aufgrund der Reduzierung der sogenannten Deutschklassen (Diese Klassen wurden für Schülerinnen und Schüler geschaffen, die nur über rudimentäre Deutschkenntnisse verfügen und als Quereinsteiger in das deutsche Schulsystem eintreten) auf ein Jahr dringend für die Deutschförderung genutzt werden solle. Über dieses Thema müsse gesprochen werden. Keine Schülerin und kein Schüler solle alleine gelassen werden. Die Volkshochschule biete Ressourcen, die speziell im Sprachförderbereich eingesetzt werden könnten. Dr. Gerlinde Wouters, die Leiterin des FöBE-Projektbüros (Förderstelle für Bürgerschaftliches Engagement), knüpft im Anschluss an die Forderung der MLLV-Vorsitzenden an und erzählt von einem Projekt des Bildungsnetzwerks München (BiNET) bestehend aus mehreren Stiftungen, das die Deutschklassen in München unterstützt. Nach Analyse der Lage benötigten die Deutschklassen vor allen Dingen professionelles Personal. Die Aufgabe eines dafür gegründeten Arbeitskreises sei es, Geld für Drittkräfte zu organisieren und diese selbst zu engagieren. Es mangele vor allem am Personal. FöBE sei auch Mitglied im BiNET. 

Überblick über die Entwicklung der Deutschklassen in den letzten Jahren und dadurch bedingte Probleme

Martin Göb-Fuchsberger, MLLV-Abteilungsleiter für Schul- und Bildungspolitik, gibt im Anschluss einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Anzahl der Deutschklassen in München. Die Zeit, die Schülerinnen und Schüler in den Deutschklassen verbleiben, sei von zwei Jahren im Jahr 2013 (damals noch Übergangsklassen genannt) auf heute ein Jahr verringert worden. Außerdem sei die Anzahl der Deutschklassen erheblich reduziert worden. Es sei sinnvoll, dass die Deutschklassen an den Ganztag angegliedert seien, da nur so eine entsprechende Förderung möglich sei. Aber nur ein Drittel der Deutschklassen würden komplett als Ganztagsklassen geführt. Göb-Fuchsberger weist dezidiert auf ein großes Problem der Reduzierung des Anspruchs auf eine einjährige Deutschförderung hin: „Viele der Schülerinnen und Schüler kommen erst während des Schuljahres nach Deutschland.“ Am Ende des Schuljahres würden dennoch die Deutschklassen geräumt, obwohl viele Kinder das Jahr nicht voll nutzen konnten. Somit würden Schülerinnen und Schüler in die Regelklassen gelangen, die viel zu wenige Deutschkenntnisse hätten.

Leidtragende der derzeitigen Situation: Die doppelt benachteiligten Kinder!

 Lučić betont den intensiven Austausch mit dem Kultusministerium hinsichtlich der Deutschförderung, da es sich um ein bayernweites Problem handele. Der MLLV habe vehement gegen die Kürzung der Aufenthaltszeit der Kinder in den Deutschklassen gestimmt. Kinder, die ohnehin bereits benachteiligt seien, würden somit noch mehr benachteiligt. „Wir befürchten“, so Lučić weiter, „dass wir Kinder großziehen, die nicht Deutsch können, die nicht arbeitsfähig und selbstständig sein werden.“ Göb-Fuchsberger merkt an, dass gerade in München Handlungsbedarf in den Deutschklassen bestehe. Der Heterogenität der Deutschklassen geschuldet, manche Schüler/innen seien noch nicht einmal alphabetisiert, seien Drittkräfte zur Deutschförderung absolut notwendig. 

Fehlende Organisationsstruktur von Drittkräften an Schulen

Felix Donaubauer, Geschäftsführer der Stiftung „Kick ins Leben“, mahnt an, dass es bislang keine wirkliche Organisationsstruktur von Drittkräften gebe. Es handele sich beim einjährigen Verbleib der Kinder und Jugendlichen in den Deutschklassen um eine Kann-Bestimmung. Theoretisch könnten diese auch länger in den Deutschklassen verweilen, was aber oft nicht der Realität entspreche. In dem Moment, in dem die Schulleitungen bereit seien, viel zu investieren, könne man vorwärts kommen. Die Schulleitungen müssten dabei unterstützt werden. Lučić mahnt die derzeit existierende paradoxe Situation an, dass in den Deutschklassen noch Platz genug sei, die Kinder aber ohne ausreichende Sprachkenntnisse in die Regelklassen weiterführender Schulen geschickt würden. 

Gefährdung der Zukunftschancen der betroffenen Kinder: Bürgermeisterin Dietl bietet Hilfe an!

Bürgermeisterin Dietl äußert ihre Sorge darüber, dass die derzeitige Situation auch eine erfolgreiche Berufsausbildung der betroffenen Schüler/innen gefährde und bietet in diesem Zusammenhang an, bei der Volkshochschule die Werbetrommel für Drittkräfte zu rühren. Auch im Kultusministerium solle dies nochmals angesprochen werden. Dietl zieht es auch in Erwägung, das Bildungsnetzwerk München zu unterstützen. 

Der Ruf nach einer einheitlichen und rechtlich verankerten Lösung des Problems wird laut

Wouters ist sich sicher, dass qualifizierte Drittkräfte die Lehrerinnen und Lehrer entlasten würden, was sie von den Lehrer/innen auch bestätigt bekommen habe. Zur Implementierung eines funktionierenden Systems der Deutschförderung sei es notwendig, an die Schulen zu gehen und sich einen Überblick zu verschaffen. Es gebe noch keine systemische Lösung. Schulbürgermeisterin Dietl äußert, dass das System überall gleich aussehen müsse. Dies könne nicht von der Schule oder der Schulleitung abhängen. Martin Schmid, MLLV- Abteilungsleiter Netzwerk und Kommunikation, erläutert, dass es sich um ein Problem der Verankerung handele. Es gebe einen amtlichen Lehrplan, an den sich jeder halten müsse. Die Förderung müsse allerdings rechtlich verankert werden, sodass genügend Stunden und Lehrkräfte den bedürftigen Kindern zugewiesen werden könnten. Donaubauer äußert, dass derzeit viel von der Eigeninitiative der einzelnen Schule abhänge. Er kenne das Beispiel einer Schule im Münchner Stadtteil Milbertshofen, an die Drittkräfte selbständig herangetreten seien. Dort funktioniere das sehr gut. Es gebe aber leider keine Organisationsstruktur, an Drittkräfte heranzukommen. Göb-Fuchsberger sieht darin eine zentrale Aufgabe des Staates. Schmid ist sich sicher, dass die Regelung der Sprachförderung die Stadt selbst in die Hand nehmen müsse und die Drittkräfte auch entsprechend bezahlt werden sollten. 

Optimistischer Blick in die Zukunft

Am Ende schlägt Schulbürgermeisterin Dietl eine Lösung vor: „Ich werde an eine oder mehrere Schulen gehen, mir einen Überblick verschaffen und dann einen Brief ans Kultusministerium schreiben, der konkrete Forderungen enthält.“ In diesem Sinne endete das Gespräch in der optimistischen Stimmung, dass benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Sachen Sprachförderung baldmöglichst geholfen werden kann. 

Der MLLV bedankt sich für ein sehr konstruktives Gespräch bei Bürgermeisterin Dietl und hofft auf eine baldige und sinnvolle Lösung im Sinne der Kinder und Jugendlichen.

Andre Grenzebach

Pressereferent