Im BRENNPUNKT: Mehrarbeit und „mehr Arbeit.“

Die nun „verordnete Mehrarbeit“ ist nur die Spitze des Arbeitsberges, denn „mehr Arbeit“ haben die Lehrerinnen und Lehrer schon lange!"

Machen Sie doch den Gedanken mal mit: Wir muten den Lehrerinnen und Lehrern mehr zu, das ist in gewisser Weise auch eine Wertschätzung der Tätigkeit der GS/MS Lehrkräfte", so sinngemäß Prof. Dr. Piazolo in der Sendung „Jetzt red i“, am 22.01.2020. Liebe Kolleginnen und Kollegen, also sehen Sie doch die Maßnahmen zur Sicherung der Unterrichtsversorgung endlich positiv! Wir bekommen vom Kultusminister schließlich eine Stunde mehr an Unterrichtsverpflichtung geschenkt, um all unsere Aufgabenfelder noch besser abarbeiten zu können!

„Mehrarbeit“ ist das Wort der Stunde, „mehr Arbeit“ gibt es für die Lehrkräfte aber schon seit Jahren!

Die Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben nehmen seit Jahren beständig zu. Ob Wochen-, Sequenz-, Jahres- oder individuelle Förderpläne, Gefährdungsbeurteilungen, Schülerbeobachtungen oder Lernentwicklungsgespräche. Wir verwalten uns langsam aber sicher in eine Handlungsunfähigkeit. Die eigentlichen Aufgaben der Pädagogen und Pädagoginnen sind nur noch ein Silberstreif am Horizont.

Der viel gepriesene Aufbruch in die Digitalisierung ist vor Ort an den Schulen dann doch oftmals mehr Einbruch statt Durchbruch. Die Lehrkräfte haben es mit veralteter Software zu tun und die Schulleitungen kämpfen um jedes Bisschen neue moderne Hardware. Ist schließlich ein digitaler Mehrwert für die Schüler und Schülerinnen erreicht, so gilt es diesen ohne kompetente Unterstützung von außen zu erhalten.

Auch die dringend notwendige Inklusion bringt alle betroffenen Pädagogen und Pädagoginnen durch einen immensen Kommunikations- und Zeitaufwand mit den verschiedensten Stellen, wie Jugendamt, Psychologen und Psychologinnen, Therapeuten und Therapeutinnen, MSD, Horten, Schulbegleitern etc…, immer wieder an Belastungsgrenzen. Die vorhandenen Unterstützungsangebote sind zu wenig breit gestreut und lassen die Betreuungsschere innerhalb der Klassenzimmer immer weiter aufgehen.

Immer neue sich gegenseitig jagende, ablösende oder parallellaufende Ganztagesbetreuungskonzepte verlangen von allen beteiligten Schulleitungen und Lehrerkräften ein Höchstmaß an Flexibilität, Organisationstalent und Ausdauer. Personalgespräche, Abrechnungen, Vertragswerk und Zusammenarbeit mit ständig wechselnden Partnern und Personen tun ihr Übriges.

Durch die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule sollen die abgebenden Einrichtungen ebenso bestens bedient werden, wie die aufnehmenden, weiterführenden Schulen, durch das stetig schwieriger werdende und konfliktbehaftete Thema Übertritt. Hier gilt es oftmals Extremsituationen zu bewältigen und möglichst allen Parteien gerecht zu werden. Dabei müssen sich die Lehrer und Lehrerinnen immer wieder darauf konzentrieren, dass die Kinder bei allen zerrenden Kräften im Mittelpunkt allen Handelns stehen.

Es seien noch die extremen gesellschaftlichen Veränderungen, die an die Schulen delegierten ehemals häuslichen Erziehungs- und Bildungsbereiche, eine immer heterogene Schülerschaft, eine von den Lehrkräften geforderte sich ständig erneuernde Kompetenzvermittlung, Mitwirkung in der Schulentwicklung, größere Altersspreizung, steigende Zahl von Vertretungsstunden und ein „Meer“ an Konferenzen, Elternabenden und Fortbildungen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt.

Eine Stunde „Mehrarbeit“ schreckt die Pädagogen und Pädagoginnen bei dieser bereits bestehenden Arbeitsfülle nicht. Es schreckt die Kolleginnen und Kollegen allerdings sehr, dass dadurch ihre Kernaufgabe, nämlich das Kümmern um ihre Schüler und Schülerinnen bald nur noch ein Silberstreif am Horizont sein dürfte!

Martin Schmid Netzwek und Kommunikation