Die Kerschensteiner Medaille geht in diesem Jahr an Walter Dirr

Walter Dirr wurde aufgrund seiner Verdienste um die berufliche Bildung im großen Sitzungssaal des Rathauses am Marienplatz die Kerschensteiner Medaille verliehen. Seit 1995 wird dieser Preis im zweijährigen Turnus zu Ehren des Reformpädagogen Georg Kerschensteiner überreicht. Kerschen-steiner machte sich um die Entwicklung der beruflichen Bildung verdient. Der Aufbau der heutigen Berufsschulen ist dabei eng mit seinem Namen verknüpft und der Begriff der Selbsttätigkeit stand für Kerschensteiner im Mittelpunkt und damit die Verbindung von geistiger und praktischer pädagogischer Arbeit.

Walter Dirr ist dabei der erste Preisträger, der die musikalische Gestaltung seiner eigenen Verleihungszeremonie in Person seines Sohnes Tobias selbst mitbrachte. Dieser eröffnete und beendete mit zwei gefühlvollen Songs die Auszeichnung seines Vaters. Die Stadtschulrätin Beatrix Zurek eröffnete den feierlichen Abend mit der Begrüßung von anwesenden Ehrenbürgern der Stadt München, anwesenden Stadträten und ehemaligen Preisträgern. Zudem wurde die Vorsitzende des Münchner Lehrerinnen- und Lehrerverbandes, Waltraud Lučić, eigens begrüßt. Zurek erklärte, dass die Kerschensteiner Medaille an Persönlichkeiten und Organisationen ver-geben wird, die sich um die Bildung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in außerordentlicher Art und Weise verdient gemacht haben. 1895 habe Kerschensteiner als Stadt-schulrat seine Tätigkeit begonnen und im Jahre 1900 in Form der so genannten „Arbeitsschu-len“ den dualen Weg der beruflichen Ausbildung begründet. Bürgermeisterin Christine Strobl begrüßte in ihrer anschließenden Rede den Preisträger Walter Dirr zunächst, bevor sie auf dessen Werdegang und Leistungen einging. Handwerkliche und außerschulische Bildung seien für unsere Gesellschaft eminent wichtig. Strobl geht darauf ein, dass Walter Dirr 35 Jahre lang die Projektwerkstatt geleitet hat, eine handwerklich-pädagogische Werkstatt für Grund- und Mittelschulen und Förderzentren. Diese Einrichtung wurde und wird durch das Referat für Bildung und Sport (RBS) finanziert. 1985 sei die Pro-jektwerkstatt aus einer Initiative des Vereins Schule Beruf e.V. an der Tagesheimschule an der Hochstraße ins Leben gerufen worden. Seit 1985 habe es hunderte von Projekten gegeben (handwerkliche Projektwochen, 3-Tage-Projekte und Projekt-AG’s), an denen knapp 10 000 Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben. Zu den Werkstücken, die man auf der Homepa-ge der Projektwerkstatt bestaunen kann, gehören Terrassen, Unterstände, Sonnenliegen, Sitz-pyramiden, Tische, Garderoben und Torwände. Worum geht es also in der Projektwerkstatt? Es geht um das Lernen mit Kopf und Hand. Dabei gebe es drei Schwerpunkte: Die Schülerin-nen und Schüler auf den Beruf vorzubereiten, Teamarbeit und die Stärkung benachteiligter Ju-gendlicher. Diese drei Schwerpunkte werden von Strobl durch Zitate von Schülerinnen und Schülern untermalt: „Die Arbeit in Projekten ist hilfreich für den zukünftigen Beruf und bei Un-sicherheiten bei der Entscheidung für den jeweiligen Berufsweg“, „Anderen hilft man, wenn sie Hilfe brauchen“ und „Ich nehme mehr Selbstbewusstsein durch die Arbeit in der Projektwerkstatt mit“. Wichtig sei, dass die Schülerinnen und Schüler in der Projektwerkstatt einen res-pektvollen Umgang pflegten. Die Arbeit in der Projektwerkstatt sei für die Schülerinnen und Schüler eine gute Gelegenheit, Anerkennung zu finden. Dirr habe dabei als „Schatzsucher“ ver-borgene Talente gefördert. Das Erfolgsrezept des Preisträgers sei es gewesen, die Schülerinnen und Schüler etwas machen zu lassen, das sie brauchen können. Diese würden etwas Sichtbares erschaffen, das in der Schule präsent sei. Dies sei ein positives Gefühl, das die Kinder aus dem Schulalltag oft nicht kennen. Dieses Gefühl habe Dirr etwa 10 000 Schülerinnen und Schülern mitgegeben und dabei Wertschätzung, Teamgeist und Solidarität in den Mittelpunkt gestellt. Am Ende ihrer Rede bedankt sich Strobl bei Dirr für dessen über Jahrzehnte währende Arbeit. Er habe damit vielen Kindern etwas Gutes getan. Sie überreichte Walter Dirr die Kerschensteiner Medaille. Sichtlich stolz und gerührt begann Dirr in seiner Rede eine Brücke zu Georg Ker-schensteiner zu schlagen. Er sei während seiner Schreinerlehre bewusst auf Kerschensteiner aufmerksam geworden. Als die Projektwerkstatt ins Leben gerufen wurde, habe es so genannte Kerschensteiner Werkstätten gegeben. Die Projektwerkstatt habe diese Werkstätten mitnutzen dürfen. Dirr dankte dem Stadtrat in seinen verschiedenen Besetzungen im Laufe der Zeit für die wiederholte Unterstützung für die Projektwerkstatt. Er bedankte sich auch bei sei-nem Arbeitgeber, dem Vorstand von Schule Beruf e.V., dass der Verein einem damals 30-jährigen Berufsanfänger den Aufbau der Projektwerkstatt anvertraut habe. Sein Dankeswort richtet Dirr weiterhin an die Schülerinnen und Schüler, die das Angebot wahrgenommen haben und an seine Kolleginnen und Kollegen. Dirr nennt verschiedene Zitate, die die Zufriedenheit von Lehrer- als auch Schülerseite mit der Projektwerkstatt dokumentieren. Lehrer schätzen den klaren Aufbau, die förderliche Anleitung, deutliche Regeln, die unglaubliche Geduld und das genaue Erklären. Dirr habe beobachtet, dass auch schwierige Schülerinnen und Schüler die Projektwerkstatt zu schätzen wussten. Ein Schüler, Moritz aus einer 8. Klasse, wird nach dem Ende eines Projekts mit den Worten zitiert „Das waren die besten drei Tage meines Schulle-bens.“ Zum Schluss äußert Walter Dirr den Wunsch, dass die Stadt München auch weiterhin ein offenes Ohr für solche innovativen Ideen wie die Projektwerkstatt hat. Im Anschluss an die Veranstaltung fand im Kleinen Sitzungssaal des Münchner Rathauses ein Stehempfang mit Be-wirtung statt: Ein würdiger Ausklang für einen denkwürdigen Abend.

Andre Grenzebach