Prof. Michael Piazolo, Staatsminister für Unterricht und Kultus

Genau 10 Jahre ist es her, dass Prof. Michael Piazolo in den Münchner Stadtrat gewählt wurde. Bereits ein halbes Jahr später zog er in den Landtag und seit dem ist er immer wieder ein geschätzter Gast des Münchner Lehrer- und Lehrerinnenverbands. Ob Lehrertag, Kamingespräch, Delegiertenversammlung oder 150-Jahr-Feier, der Freie Wähler scheint sich beim MLLV wohl zu fühlen. Piazolo, 59 Jahre, Jurist und Hochschullehrer, Münchner, 5 Jahre lang Vorsitzender des Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur im Bayerischen Landtag, Vorsitzender des Stadtverbandes München sowie Generalsekretär und stellv. Landesvorsitzender der Freien Wähler Bayern, seit 2 Tagen Kultusminister und heute stellt er sich als Interviewpartner der MLLV-Vorsitzenden zur Verfügung.

  • Lučić: Die Münchner Lehrerinnen und Lehrer gratulieren Ihnen zu Ihrer neuen verantwortungsvollen Aufgabe. Der MLLV bietet ein konstruktives, offenes und wertschätzendes Miteinander an.

Piazolo: Vielen Dank. Auch ich wünsche uns ein vertrauensvolles Miteinander.

  • Lučić: Der MLLV vertritt die Interessen der schulischen Bildung in der Großstadt. Unsere regelmäßigen konstruktiven Kontakte mit Ihnen als Abgeordneter der Opposition macht uns Hoffnung, dass Ihnen die ungelösten Probleme in München bewusst sind. Welche drei kurzfristigen Schwerpunktsetzungen dürfen wir von Ihnen als neuer Minister erwarten?

Piazolo: Die Unterrichtsversorgung und die Vermeidung von Unterrichtsentfall haben für mich hohe Priorität. Die im Koalitionsvertrag angekündigten neuen Lehrkräfte und die Stärkung der Mobilen Reserve sind hierzu wesentliche Bausteine, die ich zeitnah angehen möchte. Diese zusätzlichen Lehrkräfte sind zugleich Voraussetzung für die Stärkung der individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler, die angesichts zunehmender Heterogenität an den Schulen immer wichtiger wird. Gerade zu Beginn eines Schullebens ist es mir in diesem Zusammenhang auch ein Anliegen, durch die zeitnahe Einführung eines Einschulungskorridors noch stärker der individuellen Entwicklung jedes einzelnen Kindes Rechnung tragen zu können. Gleichzeitig liegen mir die Gesundheit und der Schutz der Lehrkräfte besonders am Herzen. Insbesondere in Zeiten, in denen auch aus der digitalen Welt vermehrt Angriffe gegen Lehrkräfte kommen, gilt es aus meiner Sicht umso mehr, dass wir für die engagierten Lehrkräfte an den Schulen eintreten und beispielsweise auch gegen die sogenannten Denunziationsportale entschieden vorgehen.

  • Lučić: Der nicht mehr bestrittene eklatante Lehrermangel insbesondere im Bereich der Fachlehrer und der Sprachförderung verursacht erhebliche Nachteile für die betroffenen Kinder. Haben Sie schon ein Konzept für spürbare Fortschritte?

Piazolo: Sprache ist Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsweg. Ziel muss es daher sein, durch Sprachförderangebote allen Kindern und Jugendlichen einen möglichst optimalen Zugang zu Bildung zu geben. So ist es unsere Aufgabe, die Rahmenbedingungen an den Schulen zu gestalten, dass Schülerinnen und Schüler durch eine qualifizierte und intensive Sprachförderung möglichst schnell ausreichende Sprachkenntnisse erwerben können. Daneben müssen wir den Schulen natürlich Freiräume geben, die es ihnen ermöglichen, den individuellen Bedürfnissen und Gegebenheiten vor Ort mit passgenauen Angeboten zu begegnen.

  • Lučić: Die Durchführung des Ganztages ist mit erheblichen organisatorischen, personellen und finanziellen Schwierigkeiten verbunden. Welche Prioritäten setzen Sie für ein gelungenes Ganztagssystem in der Großstadt?

Piazolo: Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Ganztagsbildung gehört zu den zentralen Aufgaben, die es nun zusammen mit dem Bund anzugehen gilt. Ziel muss sein, dass wir den Ganztag als Betreuungs-, aber vor allem auch als Bildungsraum begreifen. Das bedeutet, dass wir nicht nur das quantitative Angebot ausbauen, sondern auch die Qualität der Ganztagsbildung weiter vorantreiben und unterstützen müssen. Ganztagsangebote, in denen Schülerinnen und Schüler einen großen Teil ihres täglichen Lebens verbringen, sollten als sozialer Lern- und Lebensraum verstanden werden, den es gemeinsam in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu gestalten gilt.

  • Lučić: Sie haben als Freie Wähler in den Koalitionsverhandlungen das Kultusministerium erhalten. Wie gehen Sie mit der kritischen Öffentlichkeit um, die sich in den vergangenen Jahren besonders mit Schul- und Bildungsfragen heftig auseinandergesetzt hat?

Piazolo: Eine offene, produktive und auch kritisch-reflektierte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Fragen und Perspektiven in einem so bedeutsamen Bereich wie dem bayerischen Schul- und Bildungssystem ist für mich weniger Problem, als vielmehr Voraussetzung für eine möglichst gute Arbeit, die ich in meiner neuen Position von mir selbst erwarte, die aber ganz klar auch von der Öffentlichkeit erwartet wird. Daher ist es für mich selbstverständlich, auch weiterhin ein offenes Ohr für die Anliegen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrkräfte und auch Eltern zu haben und damit nah an den Bürgerinnen und Bürgern zu bleiben, um mögliche Problemlagen des schulischen Alltags frühzeitig erkennen und beheben zu können.

Lučić: Danke für Ihre Zeit und Ihren Gruß an die Pädagoginnen und Pädagogen im MLLV.

Waltraud Lučić